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"Mein Rechtsempfinden sagt mir, dass Diskriminierung rein aufgrund des Geschlechts grundsätzlich Unrecht ist."

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"Ich möchte das nicht hinnehmen, weil ich das als eminenten Backlash in der Wissenschaftspolitik sehe"

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Wien - Obwohl der Konflikt durch die Schaffung von 60 zusätzlichen Studienplätzen bereits entschärft schien, hat die "gendergerechte" Auswertung des Aufnahmetests an der Medizin-Uni Wien am Donnerstag für innerkoalitionären Zwist gesorgt. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) hatte die Auswertungsmethode als "problematische Diskriminierung der Burschen" bezeichnet. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) reagierte empört und meinte, er sei "auf voller Fahrt zurück ins Mittelalter".

"Mein Rechtsempfinden sagt mir, dass Diskriminierung rein aufgrund des Geschlechts grundsätzlich Unrecht ist", hatte Töchterle das Modell der Platzzuweisung der Medizin-Uni Wien kommentiert, bei dem Frauen dank einer nach Geschlechtern getrennten Auswertung trotz identer bzw. geringerer Punktezahl einen höheren Testwert als Männer und folglich auch mehr Studienplätze erhalten haben. Die Regelung wurde eingeführt, nachdem sich bisher stets mehr Frauen als Männer beworben hatten, der Anteil an zum Studium zugelassenen Frauen aber deutlich darunter lag. Heuer waren die Werte mit einem Frauenanteil von je 56 Prozent sowohl bei Bewerbern als auch Aufgenommenen aufgrund der Auswertungsmethode erstmals gleich.

Nach einer Beschwerde der HöchschülerInnenschaft der Uni haben sich Ministerium und Medizin-Uni vor rund zwei Wochen auf einen Kompromiss geeinigt: Es gibt 60 zusätzliche Plätze, damit Kandidaten, die sich um einen Studienplatz betrogen fühlen, doch noch zum Zug kommen. Diese Zusatzplätze werden allerdings ebenfalls "genderspezifisch" vergeben.

Heinisch-Hosek "fassungslos"

Heinisch-Hosek zeigte sich angesichts von Töchterles Kritik an der "geschlechtergerechten" Platzverteilung "fassungslos, fast sprachlos. Ich möchte das nicht hinnehmen, weil ich das als eminenten Backlash in der Wissenschaftspolitik sehe". Töchterle sei langsam bei der Umsetzung von Frauenförderung in seinem Ressort, aber "einigen wenigen Burschen", die sich durch den neuen Test diskriminiert fühlen, springe er "blitzschnell" zu Seite, kritisierte die Ministerin. Immerhin seien in den vergangenen sechs Jahren 500 Frauen durch den Test in seiner bisherigen Form diskriminiert worden. Auch Grünen-Frauensprecherin Judith Schwentner bemängelte, dass es keine zusätzliche Plätze für Frauen gab, solange diese aufgrund der Aufgaben beim Aufnahmetest benachteiligt gewesen seien.

Von der ÖVP erhielt Töchterle hingegen Rückendeckung: "Die Leistung muss die Bewertungsgrundlage sein, nicht das Geschlecht", betonte Generalsekretär Hannes Rauch, der Heinisch-Hosek eine "verbohrte Haltung" vorwarf. Außerdem wies er sie darauf hin, dass es heute an den Unis mehr weibliche als männliche Studierende gebe, während im Mittelalter Frauen eine Uni nicht einmal betreten durften. Die FPÖ forderte Töchterle unterdessen auf, nur dann zusätzliche Studienplätze für die Medizin-Uni Wien zu finanzieren, "wenn diese tatsächlich den diskriminierten männlichen Bewerbern zufallen und nicht erneut Frauen, die beim Test schlechter abgeschnitten haben".

Im kommenden Jahr soll es an allen drei Medizin-Unis in Wien, Graz und Innsbruck einen neuen, gemeinsamen Aufnahmetest geben. (APA, 4.10.2012)