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Zahlreiche Polizisten der Spezialeinheit CRS waren auch am Sonntag noch im Pariser Vorort Trappes im Einsatz.

Foto: EPA/ETIENNE LAURENT

Mehrere hundert Bewohner des Pariser Vororts Trappes, westlich der französischen Hauptstadt, lieferten sich am Wochenende regelrechte Gefechte mit der Polizei. Sie schossen schwere Feuerwerkskörper auf die Bereitschaftspolizei CRS, warfen Steine sowie Molotowcocktails.

Buswartehäuschen gingen zu Bruch, Dutzende von Autos brannten aus, darunter auch ein Polizeiwagen. Ein Großaufgebot der CRS antwortete mit Tränengas und Gummikugeln. Ein Unbekannter raste in eine Gruppe von Ordnungshütern, die gerade noch zur Seite springen konnten. Obwohl von einem Helikopter verfolgt, konnte der Fahrer entkommen.

Jugendlicher verlor Auge bei Krawallen

Eine Fabrik in Trappes brannte völlig aus. Es gab auch einen Schwerverletzten: Ein Jugendlicher verlor bei den Krawallen ein Auge. Mehrere Unruhestifter wurden verhaftet. In der Nacht auf Sonntag weiteten sich die Unruhen auf Nachbargemeinden wie Elancourt und Guyancourt aus; dort gingen ebenfalls Autos in Flammen auf.

Begonnen hatte alles mit der Identitätskontrolle bei einer Burka-Trägerin. Das Tragen der Ganzkörperverschleierung - meist eher ein Nikab als das Gesichtsgitter der Burka - ist in Frankreich seit zwei Jahren verboten. In der Praxis verurteilt die Polizei voll verschleierte Frauen aber kaum zu Geldstrafen.

Gatte der Frau widersetzte sich

In diesem Fall widersetzte sich der Gatte der verhüllten Frau der Personenkontrolle mit Gewalt. Der zum Islam übergetretene 21-jährige Franzose wurde auf den nächsten Polizeiposten gebracht.

In der Folge kam es zu regelrechten Wildwestszenen. Als sich die Verhaftung im Viertel herumgesprochen hatte, versammelten sich vor dem Kommissariat immer mehr Anwohner, um die Freilassung ihres "Bruders" zu verlangen. Die Polizei verschanzte sich im Innern und rief eine CRS-Einheit zur Verstärkung herbei. Bald flogen die ersten Steine. Das war der Auftakt zu den Krawallen.

Innenminister: "Inakzeptables Verhalten"

Während das "Kollektiv gegen Islamophobie" von einer polizeilichen "Provokation" sprach, kritisierten Polizeigewerkschafter ihre Rolle als "Sündenböcke religiöser Extremisten". Die Rechte übt scharfe Kritik an der Linksregierung und verlangt eine "exemplarische Strenge" gegen die "voyous" (Halunken) und den "racaille" (Abschaum).

Innenminister Manuel Valls sprach von einem "inakzeptablen" Verhalten der Unruhestifter und kündigte an, die Sicherheitskräfte würden so lange in Trappes bleiben, bis dort Ruhe eingekehrt sei. Er war aber sichtlich bemüht, kein Öl ins Feuer zu gießen. Auch die Medien berichteten sehr zurückhaltend über den Banlieue-Zoff.

Trostlose Beton-Vorstädte

Der Name Banlieue wurde zum Synonym für hohe Jugendarbeitslosigkeit, schlechte Infrastruktur und Kriminalität in trostlosen Beton-Vorstädten. 2005 wuchsen sich Banlieue-Krawalle zu einem Flächenbrand in mehr als 300 Kommunen aus.

Die Regierung stellte danach 100 Millionen Euro pro Jahr für Integrationsvereine bereit, die mit sozial Benachteiligten arbeiten. Bis 2013 sollten 35 Milliarden Euro in die Sanierung der Problemviertel fließen; einen "Marshallplan für die Vorstädte" hatte der damalige Präsident Nicolas Sarkozy versprochen.

Zwei Jahre später wurde der Großteil der Mittel wieder gekürzt, Experten und Medien bezeichneten Sarkozys "Marshallplan" als gescheitert. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 22.7.2013)