Bild nicht mehr verfügbar.

Das antisemitisch codierte Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs wurde erst im 21. Jahrhundert verlegt.

Foto: APA / Barbara Gindl

Seit 2006 ruht er in einem durchsichtigen Panzerglassarkophag im Innenhof der Universität Wien. Zwar ist der "Siegfriedskopf" mit einigen mehr oder weniger gut erklärenden Texten versehen, unbedarfte Beobachter werden aber vermutlich nicht ganz schlau aus der Installation.

Vor 90 Jahren, am 9. November 1923, wurde der Siegfriedskopf, ein Werk des späteren Hitler-Bildhauers Josef Müllner, in der Aula der Uni Wien feierlich enthüllt - für die im Ersten Weltkrieg "in Ehren gefallenen Helden unserer Universität" und, wie es ebenfalls am Sockel heißt: "Errichtet von der Deutschen Studentenschaft und ihren Lehrern".

Nicht weiter problematisch, könnte man meinen. Etwas anders stellt sich die Bedeutung des Denkmals dar, wenn man weiß, dass die damals bestimmende Deutsche Studentenschaft, eine Koalition aus katholischen und deutschnationalen Studentenorganisationen, sich nur als Vertretung der "deutscharischen" Studenten sah. Eines ihrer erklärten Ziele: den Anteil jüdischer Studierender und Lehrender auf zehn Prozent zu drücken.

Der eigentliche Auftraggeber war Rektor Karl Diener, der Ende 1922 gleichlautend in der katholischen Reichspost verlauten ließ: "Der Abbau der Ostjuden muss heute im Programm jedes Rektors einer deutschen Hochschule einen hervorragenden Platz einnehmen." Dem entsprach die antisemitische Botschaft des Siegfriedskopfs, die auf den Siegfried-Mythos der Nibelungensage und damit auf die "Dolchstoßlegende" des Ersten Weltkriegs anspielte: Laut dieser Verschwörungstheorie seien die deutsche und die österreichische Armee vor allem von Sozialdemokraten und dem Judentum verraten und "von hinten erdolcht" worden.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts hielten die Austrofaschisten vor dem Siegfriedskopf ebenso Gedenkfeiern ab wie die Nazis und der Cartellverband nach 1945. Es ist bezeichnend für die Geschichte der Uni Wien, dass dieser Stein des Anstoßes erst im 21. Jahrhundert von seinem prominenten Platz entfernt wurde. (tasch, DER STANDARD, 13.11.2013)