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Demonstranten erinnern US-Präsident Barack Obama an sein Versprechen, die Haftanstalt Guantanamo auf Kuba zu schließen. Auch dort wurden an Gefangenen Folterpraktiken wie Waterboarding angewendet

Foto: EPA/OLIVIER HOSLET

Dianne Feinstein klang, als hätte sie bei Abraham Lincoln nachgelesen. Die Abstimmung zeige, sagte die 80-Jährige stolz, "dass diese Nation ihre Fehler zugibt, so schmerzhaft dies auch sein mag, und sich bemüht, aus den Fehlern zu lernen".

Vorausgegangen war ein Votum, das als Meilenstein in die Chronik des US-Kongresses eingehen wird, für manche gar als Sternstunde. Mit klarer Mehrheit, elf gegen drei, entschied der Geheimdienstausschuss des Senats, seinen bis dato geheimen Untersuchungsbericht über Folterpraktiken der CIA zumindest in Teilen öffentlich zu machen.

Fast 6300 Seiten lang nimmt der hochbrisante Report unter die Lupe, was die Anwälte George W. Bushs mit dem vernebelnden Begriff "verschärfte Verhörmethoden" beschönigt hatten. Um nicht durch amerikanisches Recht behindert zu werden, richtete die CIA in Ländern wie Afghanistan, Litauen und Polen sogenannte "black sites" ein, Geheimgefängnisse, in denen zwischen 2002 und 2006 etwa hundert Terrorverdächtige zum Reden gebracht werden sollten - beispielsweise durch Waterboarding, simuliertes Ertränken.

Fünf Jahre lang schickten die Senatoren des Geheimdienstkomitees ihre Mitarbeiter zu Recherchen, zum Aktenlesen in eine nicht näher bezeichnete Computerzentrale der CIA in Virginia. "Die Ergebnisse waren schockierend", fasst es Feinstein zusammen. "Der Bericht dokumentiert einen Schandfleck in unserer Geschichte, wie er nie wieder erlaubt werden darf."

Überraschenderweise stimmten neben sieben Demokraten und Angus King, einem unabhängigen Senator aus Maine, auch drei Republikaner für die Freigabe des Dossiers. Drei waren dagegen, einer enthielt sich der Stimme. Dass die Entscheidung so deutlich ausfiel, damit hatten nur die wenigsten gerechnet, denn noch immer halten konservative Hardliner es für ihre Pflicht, ihrem Parteifreund Bush nachträglich beizustehen. Für manche grenzt es an Nestbeschmutzung, wenn das dunkle Kapitel in allen drastischen Details beleuchtet wird.

Aber auch ein Geheimdienstmann, auf den Barack Obama, der Demokrat im Weißen Haus, große Stücke hält, könnte Federn lassen. John Brennan, seit einem Jahr CIA-Direktor, war Stabschef des Geheimdienstes, als das Quälen begann. Intern will er Einspruch eingelegt haben, nur kann sich keiner seiner damaligen Kollegen daran erinnern. Gut möglich, dass auch Brennan, von Haus aus Arabien-Experte, irgendwann seinen Hut nehmen muss.

Wochenlanger Poker

Zunächst aber geht der Streit darum, wie der Senatsreport veröffentlicht wird, komplett, auszugsweise oder gar als Torso. Nach heutigem Stand soll nur eine 480 Seiten lange Zusammenfassung publik gemacht werden. Die CIA wiederum pocht darauf, allzu heikle Passagen zu schwärzen. Es könnte Wochen, ja Monate dauern, ehe der Poker beendet ist.

Nicht weniger brisant ist die Kontroverse über den Nutzen des Programms, eine Debatte, an der auch Hollywood eine Aktie hat. Zero Dark Thirty, Kathryn Bigelows preisgekrönter Film, erzählt die Geschichte so, als habe die Folter dazu beigetragen, das Versteck Osama Bin Ladens im pakistanischen Abbottabad ausfindig zu machen.

Ali Soufan, ein früherer FBI-Agent, der den mutmaßlichen Al-Kaida-Drahtzieher Abu Zubaida verhörte, gab dagegen zu Protokoll, dass die Tortur des Waterboardings sowohl unnötig war als auch fruchtlos. Er habe auf sanftere Art, eingeschlossen das Verteilen von Cookies, sehr viel mehr erreicht. Feinsteins Ausschuss gelangt zu ähnlichen Schlüssen. Es gebe kaum Beweise, zitiert die Washington Post aus dem Papier, dass verschärfte Verhöre zu bedeutsamen Erkenntnissen führten. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 5.4.2014)