Eine Frau mit Megaphon vor einer Kirche.
Eine Frau protestiert nach Bekanntwerden der Vorwürfe vor der Basilika in La Paz.
REUTERS / Claudia Morale

La Paz/Vatikanstadt – Papst Franziskus hat sich laut Kathpress in einem Brief an den bolivianischen Präsidenten Luis Arce "konsterniert und beschämt" über die Berichte von Missbrauchsfällen in dem südamerikanischen Land gezeigt. Wie lokale Medien am Freitag (Ortszeit) berichteten, schrieb der Papst, dass Geistliche "Verbrechen begangen haben, die Kindern ein Leben lang schaden" und die auch der Kirche Schaden zugefügt hätten.

"Größte Herausforderung der Kirche"

Den Verantwortungsträgern in der Kirche, "die hätten aufpassen müssen", warf er Nachlässigkeit vor. Die Missbrauchskrise sei "weiterhin eine der größten Herausforderungen für die Kirche in unserer Zeit", erklärte Franziskus. Der bolivianischen Regierung versprach er seinen "festen Willen" zur Zusammenarbeit.

Der Papst antwortete damit auf ein Schreiben des bolivianischen Präsidenten. Der Linkspolitiker hatte den Vatikan im Mai aufgefordert, alle Unterlagen und Dokumente über zurückliegende Missbrauchsfälle innerhalb der Kirche in der Andennation für die Behörden zugänglich zu machen. In einem direkt an Papst Franziskus gerichteten Brief schrieb er laut der Zeitung "El Deber": "Ich fordere, dass die bolivianische Justiz Zugang zu allen Akten, Aufzeichnungen und Informationen erhält, die sich auf die Anschuldigungen und den sexuellen Missbrauch durch katholische Priester und Ordensleute auf bolivianischem Territorium beziehen. Diese Jahre der Straflosigkeit können nicht endlos weitergehen, ohne dass die Justiz die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht."

Recherchen über Priester

Den Stein ins Rollen gebracht hatten Recherchen über einen inzwischen verstorbenen spanischen Priester, der in den 1980er Jahren Dutzende Minderjährige missbraucht haben soll. Die Tageszeitung "El Pais" hatte Zugang zum Tagebuch eines spanischen Jesuiten. Daraus soll hervorgehen, dass er während seiner Tätigkeit als Lehrer an katholischen Schulen in Bolivien bis zu seinem Tod im Jahr 2009 Dutzende von Kindern missbraucht hat. Laut den vorliegenden Informationen ist davon auszugehen, dass er 89 Vergewaltigungen von Minderjährigen in seinem Tagebuch gestand. Der letzte Eintrag stammt vom 11. Oktober 2008.

Das Tagebuch des Jesuiten soll zudem Hinweise auf ein Netzwerk der Vertuschung geben. Inzwischen gibt es weitere Vorwürfe gegen verstorbene Jesuiten. In einer ersten Reaktion bedauerten die bolivianischen Jesuiten "das den Opfern zugefügte Leid" und erklärten: "Wir schämen uns für diese Situation." (APA, 17.6.2023)