Ein amerikanisches U-Boot beim Auslaufen. An Deck stehen mehrere Menschen in Schwimmwesten, eine amerikanische Flagge ist gehisst.
Ein US-U-Boot der Seawolf-Klasse beim Auslaufen aus dem Hafen von Bremerton im US-Bundesstaat Washington.
AP/Thiep Van Nguyen II/U.S. Navy

Während die Suche nach dem Tauchboot Titan, das mit Touristen an Bord zum Wrack der Titanic unterwegs war, weitergeht, bereiten sich Einsatzkräfte auf die Rettung der Passagiere vor. Ob und wie das gelingen kann, hängt nicht nur von der Art der Beschädigung des Tauchfahrzeugs ab, sondern auch von der Tiefe, in der es gefunden wird.

Dass die Rettung aus einem Tauchboot grundsätzlich möglich ist, zeigen militärische U-Boote, die über technische Lösungen für einen Ausstieg verfügen. Schon ein Ausstieg nahe der Oberfläche ist anspruchsvoll. Einfach eine Luke zu öffnen ist nicht möglich, da Wasser in das Boot eindringen würde. Die Lösung ist eine Schleuse: Um auszusteigen, müssen die Personen in eigenen Tauchanzügen durch eine Luke steigen, die hinter ihnen dicht gemacht wird. Danach wird der kleine Raum langsam mit Meerwasser geflutet, bis sich der Druck dem Außendruck angeglichen hat. Erst dann ist ein Öffnen der Außenluke möglich, und die Personen in der Schleuse können aussteigen.

Atom-U-Boote der Virginia-Klasse verfügen über eine Ausstiegsluke. Diese kann aber nur bei geringen Tiefen verwendet werden.
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Anatomische Hindernisse

Dass das nur bis zu einer bestimmten Tiefe möglich ist, liegt an der menschlichen Anatomie. Der menschliche Körper kann sehr hohen Druck aushalten, der Weltrekord liegt bei einem Druck, der jenem in etwa 700 Meter Tiefe entspricht. Das Experiment fand allerdings in einer Druckkammer statt. Während ein schnelles Erhöhen des Drucks problemlos möglich ist, ist das darauffolgende Absenken mit Gefahren verbunden. Luft besteht zum Großteil aus Stickstoff, durch den hohen Druck der Atemluft erhöht sich der Anteil an Stickstoff im Blut. Sinkt der Druck wieder, können Stickstoffbläschen im Blut entstehen, die lebensgefährlich sind.

Um diesen Effekt zu vermeiden, müssen auch Hobbytaucher beim Auftauchen penibel auf die Zeit achten und sogenannte Dekompressionsstopps durchführen, um den überschüssigen Stickstoff abzuatmen. Problematisch ist das übrigens nur, wenn über einen bestimmten Zeitraum unter hohem Druck stehende Luft eingeatmet wird wie beim Gerätetauchen.

Freitaucher, die ohne Druckluft tauchen und nur die Luft anhalten, können auch bei kurzen Tauchgängen problemlos auf Tiefen von über hundert Metern abtauchen. Einzig bei extremen Tauchgängen von über zweihundert Metern, wie sie der österreichische Rekordhalter Herbert Nitsch unternommen hat, sind ebenfalls Dekompressionsstopps nötig. Bei einem Tauchgang auf 253 Meter Tiefe im Jahr 2012 verpasste er den geplanten Dekompressionsstopp. Er erlitt mehrere Schlaganfälle, fiel trotz Überstellung in eine Klinik mit einer Druckkammer ins Koma und hat heute mit bleibenden Schäden zu kämpfen.

Notausstieg bleibt gefährlich

Bei einem Notausstieg aus einem U-Boot wird auch bei größeren Tiefen auf einen Dekompressionsstopp verzichtet, und Komplikationen durch zu schnelle Dekompression werden in Kauf genommen. Rettungsschiffe haben zu diesem Zweck Druckkammern, um die Effekte abzumindern.

Den Rekord für den tiefsten Ausstieg auf diese Art hält der Brite Bill Morrison, der 1945 in einer Tiefe von fast 60 Metern aus einem gesunkenen U-Boot entkam. Er blutete beim Auftauchen aus Nase, Ohren und Mund und litt noch Jahre danach an den Folgen.

Dieses Video zeigt mehrere Möglichkeiten einer Rettung aus einem U-Boot.
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Die Probleme bei dieser Variante der Rettung entstehen dadurch, dass der Körper beim Ausstieg dem Wasserdruck ausgesetzt ist. Alle zehn Meter Wassertiefe erhöht sich der Druck um ein Bar. Der Druckunterschied zwischen Wasseroberfläche und einer Tiefe von zehn Metern ist größer als jener zwischen Meeresniveau und dem Gipfel des Mount Everest.

Im Inneren eines U-Bootes ist der Druck aber nicht höher als an der Meeresoberfläche. Das ist der Sinn der massiven Bauweise der Druckbehälter von U-Booten, die den enormen Wasserdruck von der Besatzung fernhalten. Es gibt Rettungssysteme, die ein Umsteigen der Besatzung in eine Rettungskapsel ermöglichen, ohne zwischenzeitlich den Druck erhöhen zu müssen. Solche Systeme funktionieren bis zu einer Tiefe von fast 200 Metern. Dabei dockt das Rettungsboot direkt an die U-Boot-Hülle an.

Aussteigen aus der Titan unmöglich

Im Fall der Titan ist davon auszugehen, dass das Tiefseefahrzeug entweder an der Oberfläche treibt oder aber in 4.000 Meter Tiefe auf dem Grund liegt. In letzterem Fall muss also das Tauchboot als Ganzes gehoben werden, bevor die Besatzung befreit werden kann. In dieser enormen Tiefe gibt es keine Möglichkeit, die Menschen aus dem Boot zu befreien. Sobald es an der Oberfläche ist, gibt es auch kein Problem mehr mit dem Druck.

Die Zeit für eine solche Aktion wird extrem knapp, zumal das Boot noch nicht aufgespürt werden konnte. Doch auch für den Fall, dass die Titan es an die Oberfläche geschafft hat, ist die Gefahr nicht gebannt. Ein Ausstieg von innen ist, ganz anders als bei militärischen U-Booten, nicht möglich. Das Boot wurde von außen verschlossen, bei einem so kleinen Boot ist eine Ausstiegsluke nicht vorgesehen. (Reinhard Kleindl, 21.6.2023)