Die Bank of England in London im Sonnenlicht
Die Bank of England versucht seit gut eineinhalb Jahren, die hohe Teuerung einzudämmen.
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Die Bank of England (BoE) forciert das Tempo bei der Bekämpfung der Inflation und erhöht den Leitzins überraschend kräftig. Die Währungshüter um BoE-Chef Andrew Bailey hoben den geldpolitischen Schlüsselsatz am Donnerstag um einen halben Punkt auf nunmehr fünf Prozent an, das ist das höchste Niveau seit der Finanzkrise 2008. Nötig wurde dieser Schritt wegen der enorm hohen und hartnäckigen Inflation in Großbritannien. Diese verharrte zuletzt bei 8,7 Prozent – einem der höchsten Werte westlicher Industrienationen.

"Wenn wir die Zinsen jetzt nicht erhöhen, könnte es später noch schlimmer kommen", warnte Notenbankchef Andrew Bailey angesichts des bereits 13. Zinsschritt nach oben. Die Währungshüter halten sich zugleich für eine Fortsetzung des geldpolitischen Eilmarschs bereit. Die geldpolitische Entscheidung sei mit Weitsicht getroffen worden, ergänzte Bailey. Bedenklich hoch ist mit 7,1 Prozent auch die sogenannte Kerninflationsrate, bei der die stark schwankenden Preise für Energie, Nahrung, Alkohol, und Tabak ausgeklammert sind.

Unterstützung der Regierung

Die Regierung übte den Schulterschluss mit der Notenbank: Ein Sprecher von Premierminister Rishi Sunak betonte, die BoE könne weiter mit der Unterstützung der Regierung rechnen. Es könne kein hohes Wachstum bei gleichzeitig hoher Inflation geben. Auch Finanzminister Jeremy Hunt stieß ins gleiche Horn: Die hartnäckige Bekämpfung der Inflation müsse unmittelbare Priorität haben. Die anhaltend hohen Lebenshaltungskosten, die an der Kaufkraft der Bürger nagen, sind eine soziale Bürde für das Land, das die EU Anfang 2020 verlassen hat.

Notenbank-Chef Bailey hatte schon vor der Zinssitzung gewarnt, dass es voraussichtlich viel länger als erwartet dauern werde, die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Auch nach Ansicht von Ökonom Dirk Chlench von der LBBW dürfte das Ende der Fahnenstange bei den Zinserhöhungen noch nicht erreicht sein: "Viele Kapitalmarktteilnehmer gehen davon aus, dass die BoE ihren Erhöhungskurs erst bei einem Leitzins von sechs Prozent beenden wird. Diese Spekulationen erscheinen uns indes als etwas überzogen", fügte er hinzu.

Schweiz drosselt Zinserhöhungstempo

Auch die Schweizerische Nationalbank hat die Zinsen angehoben. Allerdings nimmt Notenbankchef Thomas Jordan mit einer Leitzinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte auf 1,75 Prozent den Fuß etwas vom Gaspedal. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine straffere Geldpolitik notwendig ist, um die Inflation nachhaltig unter zwei Prozent zu bringen", sagte er. "Aber wir können uns auch einen sanfteren Ansatz leisten angesichts der Situation, in der wir uns befinden." In der Schweiz ist die Inflation im Mai auf 2,2 Prozent gesunken. 

Norwegen hebt Leitzins kräftig an

Auch Norwegens Notenbank dreht angesichts der hartnäckig hohen Inflation kräftig an der Zinsschraube. Die Währungshüter in Oslo hoben den geldpolitischen Schlüsselsatz am Donnerstag überraschend deutlich um 0,5 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent an. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit einer Anhebung um 0,25 Prozentpunkte gerechnet. Zugleich signalisierte die Notenbank, dass es im August mit den Zinsen weiter nach oben gehen könnte.

"Wenn wir den Leitzins nicht erhöhen, könnten Preise und Löhne weiterhin schnell steigen, und die Inflation könnte sich verfestigen", warnte Notenbankchefin Ida Wolden Bache. Die Zentralbank prognostizierte, dass der Leitzins im Herbst auf 4,25 Prozent steigen könnte. (aha, 22.6.2023)