Sebastian Kurz
Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) rechnet mit einer Anklage wegen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss.
APA/HANS KLAUS TECHT

Bis zu einer möglichen Anklage oder Einstellung eines Strafverfahrens – insbesondere wenn es um sogenannte clamorose Fälle geht – ist es ein langer Weg mit etlichen Zwischenetappen. Besonders eindrücklich zeigt das das Verfahren gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wo jede noch so kleine Entwicklung für Spekulationen und helle Aufregung sorgt.

Am Mittwoch war es wieder einmal so weit: Seit dem späten Nachmittag ist bekannt, dass nun endgültig eine Entscheidung darüber gefallen ist, ob sich Kurz wegen des Delikts der falschen Beweisaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vor Gericht verantworten wird müssen. Die Abgeordneten wollten damals von Kurz als Auskunftsperson wissen, inwiefern sich dieser in Personalentscheidungen rund um die Staatsholding Öbag – konkret geht es um die Bestellung des einstigen Kurz-Vertrauten Thomas Schmid zum Öbag-Chef – eingemischt beziehungsweise dabei mitgemischt hat.

Erlass des Justizministeriums

Das letzte Wort in dieser Causa hatte wie bei allen clamorosen Fällen das Justizministerium – nun ist ein entsprechender Erlass des Ressorts mit der Entscheidung über das weitere Vorgehen bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingegangen. Laut WKStA werde nun geprüft und das Ergebnis bekanntgegeben, wenn auch Kurz über seinen Anwalt Werner Suppan informiert wurde.

Noch habe Kurz oder sein Anwalt keine Information seitens der WKStA erhalten, lässt Kurz' Sprecher auf STANDARD-Anfrage wissen. Auch von den neuesten Entwicklungen, nämlich, dass ein Erlass des Justizministeriums bei der WKStA eingegangen ist, habe man "wieder einmal aus den Medien erfahren".

Kurz selbst rechnet jedenfalls schon länger mit einer Anklage. Dieser hatte die Vorwürfe gegen ihn stets bestritten, es gilt die Unschuldsvermutung. Eigenen Aussagen zufolge freue er sich auf jenen Tag, an dem er die falschen Anschuldigungen vor Gericht ausräumen werde können.

Anklage gilt als wahrscheinlich

Dass es zu einer Anklage kommen wird, ist tatsächlich die wahrscheinlichste Variante und dem Vernehmen nach auch das Vorhaben der WKStA. Die Behörde sah in ihren Ermittlungen nämlich eklatante Diskrepanzen zwischen Kurz' Aussagen und Inhalten in sichergestellten Chatnachrichten.

Sollte Kurz angeklagt werden, wird ihm allerdings keine Anklageschrift, sondern ein Strafantrag zugestellt. Das liegt daran, dass sich keine Geschworenen mit der Sache befassen werden, sondern ein Einzelrichter – und das liegt wiederum am Delikt und am Strafrahmen. Der Strafantrag kann im Gegensatz zur Anklageschrift weder beeinsprucht werden, noch muss er eine Begründung für die Anklage enthalten. Das bedeutet: Sobald Kurz ein Strafantrag zugestellt werden würde, wäre ein Gerichtsprozess fix.

Für eine Verurteilung müsste das Gericht aber nicht nur Widersprüche zwischen Kurz' Aussagen und sichergestellten Chatnachrichten feststellen, sondern es müsste auch ein Vorsatz nachgewiesen werden. Bei falscher Beweisaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ist jedenfalls ein Strafrahmen von bis zu drei Jahren Haft vorgesehen. Dass Kurz bei einer Verurteilung tatsächlich ins Gefängnis muss, ist allerdings höchst unwahrscheinlich – unter anderem, weil er unbescholten ist.

Strafakt mit vielen Stationen

Kurz' Strafakt hat viele Stationen hinter sich. Die WKStA musste ihre Pläne im Strafverfahren gegen Kurz bekanntlich den Oberbehörden vorlegen. Das erfolgt in Form eines sogenannten Vorhabensberichts. Dieser musste zunächst zur Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, dann ins Justizministerium zum Weisungsrat und schließlich zu Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Sie alle müssen die Pläne der WKStA absegnen, haben aber auch die Möglichkeit, anderslautende Weisungen zu erteilen.

Zuletzt lag der Akt mehrere Monate im Justizministerium. Der Weisungsrat im Justizressort, an den die ministerielle Entscheidung quasi ausgelagert wird, hatte im Juni grundsätzlich keine Einwände gegen das Vorhaben der WKStA, aber noch rechtliche Fragen. In diesem Komplex wird nämlich auch gegen Kurz' früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli sowie gegen die einstige ÖVP-Vizechefin und Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner ermittelt. Die rechtlichen Fragen dürften sich entweder auf Bonelli oder Glatz-Kremsner bezogen haben. Das hatte den gesamten Vorgang verzögert.

Der Akt wanderte daraufhin wieder zur WKStA und zur Oberstaatsanwaltschaft und Mitte Juli wieder zurück ins Ministerium. Dort wurde nun die Entscheidung getroffen, ob Kurz angeklagt oder das Verfahren eingestellt wird. Es war die letzte Etappe eines langen Weges. (Sandra Schieder, 17.8.2023)