Justizministerin Alma Zadić blickt nachdenklich zu Boden
Das Ressort der Justizministerin Alma Zadić will dem Verdacht nachgeben, ob die Justiz möglicherweise tatsächlich von politischer Seite beeinflusst worden sein könnte.
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Nach den Enthüllungen rund um den kürzlich verstorbenen Justizsektionschef Christian Pilnacek kündigte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) eine Untersuchungskommission an. Sie soll aufklären, ob tatsächlich etwas an Pilnaceks Vorwürfen dran sein könnte, wonach sich die ÖVP – insbesondere Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka – mit Wünschen an Pilnacek gewandt habe, um "Ermittlungen abzudrehen" und Hausdurchsuchungen zu verhindern.

Das Ministerium ist gerade dabei, die Kommission auf Schiene zu bringen. Wer sie leiten und mit welchem Fachpersonal sie bestückt werden soll, ist allerdings noch unklar. "Details werden zeitnah bekanntgegeben", heißt es kurz und knapp aus Zadićs Büro. Gerüchteweise soll es sich nur noch um wenige Tage handeln.

Video: Nationalrat: Sobotka weist in Erklärung alle Vorwürfe zurück.
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Sobotka suchte Kontakt zu Pilnacek

Aber wie erfolgreich kann eine solche U-Kommission überhaupt sein? Ein leichtes Unterfangen wird die Aufarbeitung definitiv nicht. Das grüne Justizministerium muss sich zunächst einmal einen ordentlichen Untersuchungszeitraum überlegen. Immerhin liegen die Vorwürfe zum Teil mehr als zehn Jahre zurück. Etwa im Fall von Beatrix Karl (ÖVP), die von 2011 bis 2013 Justizministerin war. Laut Pilnacek sei Karl aus dem Amt geflogen, weil sie die Ermittlungen gegen die Schwarzen in der Telekom-Affäre nicht abgewehrt habe. Die Ex-Ministerin kommentierte das bisher nicht.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie man etwas untersuchen soll, das es womöglich offiziell gar nicht gibt. Interventionen sind in der Regel nichts, das veraktet wird. Pilnacek ist mittlerweile verstorben und kann daher dazu nicht mehr Stellung beziehen. Auch die zu untersuchenden Stellen, die zur Aufklärung beitragen können, beschränken sich auf den Justizapparat – und da wohl im Wesentlichen auf zwei Stellen. Als Quelle relevant sind das Ministerium selbst, in dem Pilnacek über viele Jahre tätig war, und die Staatsanwaltschaften, die mit etwaigen Strafverfahren beschäftigt waren, die Pilnacek für die Volkspartei möglicherweise hätte beeinflussen können.

Pilnacek erwähnt in der aufgetauchten Tonaufnahme explizit, dass ihm Sobotka vorgeworfen habe, Verfahren nicht eingestellt zu haben. Der Nationalratspräsident weist das vehement von sich. Dass Sobotka etwa nach der Hausdurchsuchung bei Ex-Finanzminister Gernot Blümel im Februar 2021 via Signal recht intensiv Kontakt zu Pilnacek gesucht hatte, ist allerdings evident. Das geht aus Ermittlungsakten hervor, die dem STANDARD vorliegen.

Weitere Einschränkungen benennt Georg Krakow von Transparency International Austria im Ö1-"Morgenjournal". Eine solche Kommission könne keine Zeugen unter Wahrheitspflicht vernehmen oder Dokumente sicherstellen, sagt der ehemalige Staatsanwalts und Ex-Kabinettschef im Justizministerium.

Anträge auf U-Ausschüsse

Eigentlich hätten sich die Grünen statt der U-Kommission auch einen U-Ausschuss zur Causa Pilnacek vorstellen können. Das ließ Generalsekretärin Olga Voglauer noch Dienstag Abend, wenige Stunden nach Bekanntwerden der heimlich aufgenommenen Tonaufnahme, in einer schriftlichen Stellungnahme wissen. "Die Opposition wird wohl einen Untersuchungsausschuss einrichten", sagte Voglauer. An diesem würden sich die Grünen "in gewohnter Tradition, aktiv mit guter, sachlicher Aufklärungsarbeit beteiligen".

Die Opposition, die bereits seit Monaten an der Einsetzung eines neuen U-Ausschusses arbeitet, lässt sich aber wohl kaum von den Grünen das Untersuchungsthema vorschreiben. Die SPÖ reagierte bereits verschnupft, als die Grünen in der Vorwoche vorgeprescht waren und die Opposition aufgefordert hatten, einen U-Ausschuss zu den Deals von Investor René Benko und seiner Signa-Gruppe einzusetzen. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer, in den vergangenen U-Ausschüssen Fraktionsführer seiner Partei, ließ einen Tag nach Voglauers Vorstoß am Mittwoch jedenfalls wissen, dass er einen U-Ausschuss zu Pilnacek für nicht notwendig erachtet, denn: "Die Frage der politischen Verantwortung ist hier gar keine Frage mehr."

In der Kanzlerpartei dürfte man mit der U-Kommission zu Pilnacek jedenfalls deutlich besser leben können, als mit einem U-Ausschuss zu Benko. Das sorge in der ÖVP derzeit mehr für Kopfzerbrechen, sagt ein Türkiser. Nicht ganz zu Unrecht, denn SPÖ und FPÖ dürften ihre Verhandlungen zu einem neuen U-Ausschuss abgeschlossen haben und am Freitag ein entsprechendes Verlangen im Nationalrat einbringen. Dem Vernehmen nach soll sich dieser einerseits der Aufarbeitung der Milliardenzahlungen rund um die Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) widmen, andererseits soll unter die Lupe genommen werden, ob Milliardäre wie Benko oder der Unternehmer Siegfried Wolf von der Politik – konkret der ÖVP – bevorzugt behandeln wurden. Auch Pilnacek könnte in dem Verlangen auf die eine oder andere Weise Niederschlag finden.

Diesmal nicht mit dabei sind die Neos – zur Einsetzung eines U-Ausschusses reichen aber ohnehin die Stimmen von Rot und Blau.

Nach STANDARD-Informationen könnte es möglicherweise aber nicht bei dem von SPÖ und FPÖ geplanten U-Ausschuss bleiben. Im Raum steht, dass auch die ÖVP andenkt, am Freitag ein U-Ausschuss-Verlangen einzubringen. Diese will offenbar Inseratenaufträge, Umfragen und Studien der anderen Parteien in deren Regierungszeit untersuchen. Ein entsprechendes Verlangen wurde bereits Anfang Oktober publik und nahm auch den eigenen Koalitionspartner, die Grünen, ins Visier. Sollte die ÖVP ein solches Verlangen tatsächlich einbringen, sollen die Grünen allerdings davon ausgenommen sein, ist zu hören. Die ÖVP kann jedenfalls im Alleingang einen U-Ausschuss beantragen, weil sie über mehr als die erforderlichen 46 Abgeordneten verfügt. (Jan Michael Marchart, Sandra Schieder, 24.11.2023)