Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) ist wegen der hohen Lohnabschlüsse um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts besorgt. Denn in ihrer wirtschaftlichen Prognose geht sie davon aus, dass hierzulande das Lohnniveau deutlich stärker steigen wird als in anderen Staaten der Eurozone, was die Erzeugnisse vergleichsweise teurer macht. Konkret werden die Lohnstückkosten bis 2026 voraussichtlich um 26,4 Prozent steigen, im Durchschnitt der Währungsunion aber nur um 18,1 Prozent. "Das ist ein Differenzial von über acht Prozentpunkten", sagte OeNB-Direktorin Brigit Niessner am Freitag.

Ein Arbeiter steuert einen Kran mit Stahlbünde.
Wegen Lohnabschlüssen weit über dem Durchschnitt der Eurozone ist die Notenbank um die Konkurrenzfähigkeit der Exportwirtschaft besorgt. Aber auch bei Dienstleistungen wie dem Tourismus macht sich dies bemerkbar.
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Dieser Effekt wird sich vor allem mittelfristig dämpfend auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, allerdings sieht Niessner dadurch das "Geschäftsmodell der österreichischen Wirtschaft" nicht grundsätzlich bedroht. Trotzdem wird der Zuwachs des heimischen Exports schon nächstes Jahr hinter den Wachstumsraten in den Ausfuhrländern zurückbleiben und nur wenig zur wirtschaftlichen Erholung im nächsten Jahr beitragen. Vielmehr wird der private Konsum für die schüchterne Erholung um 0,6 Prozent verantwortlich sein, nachdem die Wirtschaftsleistung heuer um 0,7 Prozent zurückgeht.

Höhere Teuerung in Österreich

Denn des einen Leid ist des anderen Freud. Die verglichen mit der Inflation verzögerten hohen Lohnzuwächse führen 2024 zu einem deutlichen Plus beim Realeinkommen der Haushalte, die nach einem heuer 2,8-prozentigen Minus im nächsten Jahr um 3,8 Prozent nach oben schnellen werden. Die Folge sind starke Zuwächse im Konsum, was jedoch auch die Inflation hierzulande am Laufen hält – und die wird in Österreich auch weiterhin deutlich über dem Schnitt der Eurozone liegen. Nach einheitlicher EU-Berechnung werden hierzulande die Preise im nächsten Jahr um vier Prozent steigen, in der gesamten Währungsunion nur um 2,7 Prozent.

Dass der Preisauftrieb in Österreich höher ist, erklärt Niessner mit der größeren zeitlichen Verzögerung bei der Weitergabe von Kostensteigerungen für Haushaltsenergie und der höheren Inflation im personalintensiven Dienstleistungsbereich; im Bereich der Bewirtung etwa betrage die heimisch Teuerung 10,9 Prozent, in der Eurozone aber nur 6,2 Prozent. Aber auch die unterschiedlichen Fiskalausgaben haben Niessner zufolge dazu beigetragen: "Österreich hat zu hohen Transferzahlungen gegriffen. Das ist etwas, das die Inflation nach oben getrieben hat."

Eingebrochener Wohnbau

Sorgenkind sind heuer die Wohnbauinvestitionen, die wegen der durch die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) emporgeschossenen Finanzierungskosten um acht Prozent eingebrochen sind. Nächstes Jahr soll ein weiters Minus um vier Prozent folgen, bevor wieder mit positiven Wachstumsraten zu rechnen ist. Das spürt man auch am Arbeitsmarkt, wo die Joblosigkeit von heuer 6,5 auf 6,8 Prozent im nächsten Jahr steigen wird. Wobei die Haushalte bis 2025 merkliche Zuwächse beim realen Einkommen erfahren werden, ab 2026 ist mit einer Normalisierung zu rechnen.

Bei den Staatsschulden erwartet OeNB-Direktorin Niessner bis 2026 "ein Defizit knapp unter der Maastricht-Grenze", konkret minus 2,7 Prozent im nächsten Jahr. Das bedeutet aber auch, dass die Schulden gemessen an der Wirtschaftsleistung nur sehr langsam abnehmen und von heuer 76,6 Prozent binnen zwei Jahren nur um einen Prozentpunkt gedrückt werden können. Auch die Finanzierung der öffentlichen Verschuldung sei durch die Zinserhöhungen der EZB empfindlich teurer geworden, gibt Niessner zu bedenken.

Abwärtstrend in Eurozone

Zuletzt hat sich auch die Wirtschaft im Euroraum stärker als erwartet eingebremst und nährt Rezessionssorgen. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Servicesektor zusammen – sank im Dezember auf 47,0 Punkte von 47,6 im Vormonat, teilte der Finanzdienstleister S&P Global am Freitag mit: "Damit ist die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal so stark geschrumpft wie seit dem vierten Quartal 2012 nicht mehr, lässt man die Monate während der ersten Corona-Lockdowns außer Betracht." (Alexander Hahn, 15.12.2023)