Leuchtende Kinderaugen, wenn das Christkind still und heimlich die Geschenke gebraucht hat.
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Heutzutage haben Eltern eine schier endlose Auswahl an Bräuchen. Von Wichteltür über Adventkalender bis hin zu Nikolaus, Barbarazweigen und Christkind. Was früher ein kollektives Übereinkommen war, gilt nicht länger. Eltern picken heute immer individueller heraus, welche Traditionen ihren Kindern die ganz besondere Magie zum Jahresende bescheren sollen.

"Wenn das Christkind kommt, klingelt das Glöckchen"

"Vor rund elf Jahren sah mein Zugang zu Advent und Weihnachten noch so aus: Ich lasse das ganze ewig gleiche Brimborium über mich ergehen. Eine pragmatische Herangehensweise, die sich mit der Geburt meines Sohnes und meiner Tochter drastisch ändern sollte. Denn auch wenn Religion im Alltag keine Rolle spielt, kann man sich Weihnachten und der damit verbundenen Stimmung spätestens dann nicht mehr entziehen, wenn die Kinder auf der Welt sind. Und so hielten die althergebrachten Rituale auch bei uns Einzug: der Adventkalender natürlich. Liebevoll kuratiert von meiner Frau. Der überbordend geschmückte Adventkranz: meine Domäne. Der Christbaum: gemeinsam ausgewählt und sorgfältig aufgeputzt nach den Vorstellungen der Damen des Hauses.

Was den Heiligen Abend anbelangt, hat sich eingebürgert, dass wir alle – Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen – abwechselnd entweder bei uns oder bei meiner Schwester feiern. Bevor die Aufregung zu groß wird, klingelt das Glöckchen. Und die Kinderaugen glänzen ..." (Markus Böhm)

"Einmal waren wir sogar in einer Weihnachtsmette"

"Als ich Anfang der Achtzigerjahre fürs Studium von Istanbul nach Wien kam, war das erste Weihnachten für mich alles andere als schön. Die Stadt war plötzlich leer, keine Freunde weit und breit, alle Läden und Kultureinrichtungen geschlossen. Sogar meine coolsten Anarcho-Punk-Freunde sind nach Hause zu ihren Familien verschwunden. Da ich gar nicht religiös bin, kam es mir immer seltsam vor, Weihnachten zu feiern.

Erst als mein Sohn zur Welt kam, haben wir plötzlich das ganze Programm durchgespielt: Baum schmücken, Kekse backen, Weihnachtsessen, auf das Christkindl warten, Bescherung. Einmal war ich sogar mit der Familie in einer Weihnachtsmette in Tirol. Die Kirche war so voll, dass viele Leute stehen mussten. Wir hatten noch ein paar Plätze ergattert, also sagte ich zu den Stehenden: "Sogar hier nehmen die Ausländer euch den Platz weg." Zum Glück haben alle gelacht." (Fatih Aydogdu)

"Das Christkind ist meinem Sohn zu abstrakt"

"Bis heute erinnere ich mich lebhaft an die Nikolaustage in meiner Kindheit. Plötzlich läutete es an der Tür, davor stand ein Sack mit Geschenken, ansonsten war bis auf Fußspuren im Schnee nichts zu sehen. Wo war er nur so schnell hin, der Nikolaus? Auch mein Sohn, so beschloss ich in diesem Jahr, sollte diese Magie erleben. Also beauftragte ich eine Nachbarin, an die Tür zu klopfen, ein Sackerl abzustellen und schnell davonzuhuschen – es war ein voller Erfolg.

Das Christkind hingegen ist meinem Zweieinhalbjährigen zu abstrakt. Ein fliegender Engel, der seinen Brief abholt? Und am Heiligen Abend einen ganzen Christbaum mitsamt Geschenken ins Wohnzimmer transportiert? Schon ich konnte das als Kind nie recht glauben. Bei uns wird daher der Weihnachtsbaum schon in der Adventzeit gemeinsam geschmückt. Das Christkind legt dann nur die Geschenke drunter. Oder wenn es nach meinem Sohn geht, soll dann noch einmal der Nikolaus zu ihm kommen. Der scheint ihm wesentlich lieber zu sein als dieser Engel, von dem jetzt alle reden." (Bernadette Redl)

"Bei uns feiern zwei Familien mit zwei unterschiedlichen Traditionen gemeinsam"

"Ginge es nach mir, wäre zu Weihnachten alles so wie in meiner Kindheit. Doch weil, seit es meinen Sohn gibt, zwei Familien gemeinsam feiern, ist der Heilige Abend bei uns ein Konglomerat aus unterschiedlichen Traditionen. Wie in Polen, wo meine Schwiegereltern herkommen, decken wir den Tisch für eine zusätzliche Person – falls spontan ein Gast auftaucht. Wir teilen uns Oblaten und dürfen während des Essens nicht aufstehen, das bringt angeblich Unglück. Da beim Menü die Gepflogenheiten zu stark auseinanderdriften, gibt es für die einen Rotbarsch und für die anderen Karpfen. Nach dem Essen spielen wir Gesellschaftsspiele, der Schwiegervater besucht den Gottesdienst.

Aber ein Brauch durfte und darf in beiden Familien nicht fehlen: Papa "muss mal kurz weg", und dann erklingt aus dem Schlafzimmer eine Glocke. Das war natürlich das Christkind, das durch ein Fenster hereingeflogen ist. Während mein Sohn nachschaut, platzieren die anderen flott die Geschenke unterm Baum. Ist das nicht viel zauberhafter als jeder Weihnachtswichtel?" (Lisa Breit)

"Den Heiligen Abend verbringen wir zu dritt"

"Als unser Kind vor sechs Jahren auf die Welt kam, hatten mein Mann und ich keinen Masterplan, wie wir Weihnachten verbringen wollen. Nach und nach haben sich aber gewisse Rituale entwickelt. Wir haben zum Beispiel beschlossen, den 24. Dezember abends nur zu dritt zu verbringen. Die Familie treffen wir am Vormittag, um den Geburtstag meiner Mutter zu feiern. Und an den Tagen danach, wenn wir auch zu den Schwiegereltern nach Oberösterreich fahren. Am Weihnachtsabend selbst packen wir unsere Geschenke aus, mein Sohn testet die neuen Spielsachen, und wir kochen gemütlich dahin. Den Christbaum stellen wir einige Tage davor auf – in meiner Kindheit war das noch ganz anders. Da war die Wohnzimmertüre am 24. verschlossen, bis abends das Christkind kam. In Zeiten offener Wohnräume ist das ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit.

Die ersten Lebensjahre sprachen wir unserem Sohn gegenüber auch noch vom Christkind. Er hatte jedoch sehr schnell heraußen, dass es erfunden ist. Das war mir nur recht so. Weihnachten findet er trotzdem wunderbar – auch ohne Schwindelei." (Rosa Winkler-Hermaden, 23.12.2023)