Ein Papa sitzt mit seiner Tochter auf einem kleinen Tisch. Beide halten eine kleine Teetasse in der Hand und lachen.
Sonntagmorgen, 7.30 Uhr. Ausschlafen gibt's nicht mehr, stattdessen trinkt man Luft aus Miniaturtassen.
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"Willst du einmal Kinder?" Es ist wohl die größte Lebensfrage, die sich viele junge Menschen heute stellen. Warum? Weil der Kinderwunsch nicht mehr selbstverständlich ist. Die Gesellschaft verändert sich stark. Auch Pandemie, Kriege und Preisentwicklung beeinflussen die Familienplanung. Eine Studie aus dem letzten Jahr hat gezeigt, dass der Wunsch nach einem Baby in Österreich merklich abgeflaut ist. Während sich Frauen 2009 im Schnitt noch 2,1 Kinder gewünscht haben, sind es 2023 nur noch 1,68.

Selbstverwirklichung statt Kinder

Rahmenbedingungen wirken sich häufig auf den Kinderwunsch und die Geburtenrate aus. Das ist bekannt. Es gibt mittlerweile aber auch Forschung, die belegt, dass sich vor allem Frauen aus persönlicher Überzeugung gegen Kinder entscheiden. Eine deutsche Studie aus dem letzten Jahr hat gezeigt, dass der häufigste Grund für gewollte Kinderlosigkeit die Selbstverwirklichung ist. Frauen wollen ihre Freizeit flexibel gestalten (82,4 Prozent), und 73,4 Prozent gaben an, keine Verantwortung für eine weitere Person übernehmen zu wollen. Beate Hausbichler hat die beiden Autorinnen der Studie interviewt.

Viele Frauen mit Kinderwunsch möchten zuerst Karriere machen, was dazu führt, dass sich die Familienplanung immer weiter nach hinten verschiebt. Im Jahr 2022 bekam eine Mutter in Österreich durchschnittlich mit 31,5 Jahren ihr erstes Kind. Das ist um 4,7 Jahre später als vor 30 Jahren (1989: 26,8 Jahre).

Drei Mütter und drei Väter erzählen

Kind, ja oder nein? Und wenn ja: Wann? Diese Fragen bleiben bei vielen Menschen so lange präsent, bis es nicht mehr geht. Kann ein wenig Einblick in den Familienalltag anderer bei der Planung helfen? DER STANDARD hat drei Mütter und drei Väter befragt: Was ist am Leben mit Kind besonders herausfordernd? Wie bekommst du Job und Kind unter einen Hut? Wie wirkt sich ein Kind auf die Beziehung aus? Die persönlichen Protokolle zeigen: Elternschaft kann vieles verändern, muss es aber nicht.

Max (33) hat zwei Söhne (6 und 2)

Die größte Herausforderung von Elternschaft ist für mich der jahrelange Schlafmangel und die ständigen Kinderkrankheiten. Wir haben zwei Söhne (sechs und zwei Jahre alt). Den Spagat zwischen Job und Familie schaffen wir, solange keines der Kinder krank wird. Wenn sie aber nicht in den Kindergarten gehen können, sind wir aufgeschmissen. Die Pflegefreistellung von zehn Tagen jährlich ist bei zwei Kindern und gefühlt 100 Infekten jährlich schnell aufgebraucht. Kleinkinder und Homeoffice funktioniert auch nur bedingt. Zudem haben wir keine Großeltern in der Nähe, die bei Krankheit spontan einspringen können. Da sind meine Frau und ich in den letzten Jahren mehrmals an unsere körperlichen und psychischen Grenzen gekommen.

"Eltern werden, Paar bleiben: Wie geht das?"

Für die Beziehung selbst sind diese Phasen auch eine enorme Herausforderung. Eltern werden, Paar bleiben: Wie geht das? Wir strudeln uns seit Jahren irgendwie durch den Tag. Morgens richtet einer das Frühstück, der andere zieht die Kinder an. Dann essen wir gemeinsam, räumen nebenher etwas auf, müssen uns selbst fertig machen und schaffen es meist nur unter Stress rechtzeitig aus der Wohnung. Meine Frau bringt meist die Kinder, ich sause direkt ins Büro. Sie holt die Kinder, ich gehe nach der Arbeit einkaufen, und wir treffen uns gegen 17.30 Uhr wieder daheim. Manchmal wird es bei mir auch später. Essen, spielen und zack, schon ist es wieder Bettzeit.

Wenn die Kinder schlafen, räumen wir meist noch auf, machen die Wäsche oder erledigen liegengebliebene Büroarbeit. Oft sind wir abends so müde vom Tag, dass wir es nicht einmal mehr schaffen, uns gemeinsam einen Film anzusehen, sondern lieber gleich duschen und ins Bett gehen. Man lebt dann als Paar nebeneinander her, redet wenig, ist vielleicht frustriert, Dinge stauen sich auf. Da braucht es nicht viel, und schon streitet man.

Mich wundert es nicht, dass so viele Ehen innerhalb der ersten Lebensjahre der Kinder auseinandergehen. Wir haben selbst ein Jahr lang regelmäßig Paartherapie gemacht. Das war extrem wichtig, sonst hätten wir es vielleicht nicht geschafft. Seither nehmen wir uns bewusst Zeit für Gespräche und Reflexion. Wir haben gelernt: Wenn wir als Paar nicht funktionieren, spüren das die Kinder und drehen voll durch. Dann weinen sie viel mehr, wollen ständig Aufmerksamkeit und sind allgemein fordernd. Deswegen erinnern wir uns immer abwechselnd daran, dass wir uns als Paar wieder in den Fokus rücken müssen.

Die Kinder haben unser Leben definitiv verändert. Kinder zu haben ist eine enorme Herausforderung auf unterschiedlichen Ebenen. Auch in der Persönlichkeitsentwicklung. Der ältere Sohn etwa triggert mich häufig mit seiner Art. Er ist sehr laut und hyperaktiv. Das habe ich dann auch einmal reflektiert und bin in meiner eigenen Kindheit gelandet. Ich habe dann viele Gespräche mit meinem Vater geführt. Offenbar war ich ähnlich, und ihm ging es wie mir jetzt. Die Beziehung zu meinem Vater ist durch diese Gespräche viel besser geworden. Das habe ich also sozusagen meinem Sohn zu verdanken. Ich sage immer: Die Kinder sind meine persönlichen Lehrmeister. Ein Geschenk, das ich nie missen möchte. (Max, 33, Marketingmanager aus Eisenstadt, hat zwei Söhne, 2 und 6 Jahre alt)

Thomas Weber (46) hat drei Kinder (18, 14 und 1)

Ich bin dreifacher Vater und sage mit voller Überzeugung: Kinder ändern das Leben enorm. Als mein erster Sohn zur Welt kam, war ich 28 Jahre alt. Aus heutiger Sicht also noch ein Kind. Damals war mir fortgehen extrem wichtig, ich war viel auf Festivals und Konzerten. Mit dem Baby hat sich das schlagartig geändert. Es war kein unangenehmer Einschnitt. Da war nie das Gefühl da, etwas zu versäumen.

Die ersten Jahre mit Kind sind intensiv. Die Kleinen sind zu hundert Prozent von einem abhängig. Sie brauchen Gewohnheit und Sicherheit. Es ist normal und richtig, dass der Fokus voll auf das Kind gerichtet ist. Babys und Kleinkinder haben einen ganz anderen Rhythmus als Erwachsene. Als Eltern passt man sich an, allein dadurch ändert sich viel.

Freundschaften verändern sich. In meinem Freundeskreis etwa gab es einige, die bewusst kinderlos blieben. Es gab Menschen, die gar keinen Zugang zu Kindern hatten. Da passiert es unweigerlich, dass man sich seltener trifft, und irgendwann leidet die Freundschaft darunter und geht mitunter auseinander. Dafür lernte ich durch die Kinder viele neue Menschen kennen, es entstanden über die Jahre neue Freundschaften.

"Seit unser Sohn auf der Welt ist, gehen wir oft um 21 Uhr schlafen"

Mein jüngster Sohn ist jetzt 15 Monate alt. Mir fällt immer wieder auf, dass ich als später Vater viel entspannter bin. Seit er auf der Welt ist, gehen wir mit ihm oft um 21 Uhr schlafen, damit wir am nächsten Morgen ausgeschlafen sind. Mit 46 Jahren stört mich das nicht. Damals, mit 28 Jahren, wäre das richtig schlimm für mich gewesen.

Kinder bedeuten viel Alltagslogistik und Planung, da muss man sich nichts vormachen. Und wie immer im Leben gibt es Phasen, die sehr herausfordernd sind. Die Mutter der ersten beiden Kinder und ich haben uns getrennt, da waren die Kinder zwei und sechs Jahre alt. Im Patchwork kommen wieder ganz andere Aufgaben und Menschen auf einen zu.

Als Vater von Teenies versuche ich vor allem, offen und interessiert zu bleiben. Ich erinnere mich an eine intensive Gamingphase meines Sohns. Er hat mir oft stundenlang von irgendwelchen Figuren aus Computerspielen erzählt. Hat mich das interessiert? Nicht wirklich. Aber mir war es wichtig zu wissen, was ihm wichtig ist. Und so ist es noch heute. Die Kinder sind mir nach wie vor das Wichtigste auf der Welt, und ich hoffe, sie spüren das. (Thomas Weber, 46, Journalist und Autor, hat drei Kinder, 18, 14 und 1 Jahr alt)

Cecilia Capri (33) hat einen Sohn (7 Monate)

Ich wollte schon immer Kinder haben. Das Kinderkriegen selbst habe ich dann aber hinausgezögert, weil ich wusste, dass sich mit einem Kind einiges ändern wird. Das sagen einem andere Eltern ständig. Sie erzählen dann von vollen Windeln, schlaflosen Nächten und angespiebenem Gewand und sagen im nächsten Atemzug: "Aber man bekommt ja so viel zurück, wenn die Kleinen einen dann anlächeln!" Ich habe mir dann immer gedacht: "Was??? Man bekommt für den harten Job als Eltern nur ein Lächeln zurück?"

Mein Mann und ich sind sehr freiheitsliebende Menschen. Wir reisen viel. Wir feiern viel. Wir arbeiten wo und wann wir wollen. Das alles für ein Kind aufzugeben, davor hatten wir schon Angst. Also sind wir in den letzten Jahren noch in einige ferne Länder gereist, waren auf Festivals und haben Dinge getan, die wir wohl mit Kind nicht mehr tun: betrunken in ein Meer springen etwa oder mit Fremden auf eine Hausparty gehen. Wir haben unsere Freiheit und Unabhängigkeit noch einmal so richtig ausgekostet, immer mit dem Hintergedanken, dass es vielleicht das letzte Mal sein wird.

Als unser Sohn dann auf die Welt kam, waren wir überrascht, wie einfach es war. Er schlief von Beginn an recht gut, hat selten geweint, und ich konnte ihn ohne Probleme stillen. Natürlich, dieses Glück haben nicht alle Eltern. Deswegen spreche ich oft gar nicht darüber. Weil ich weiß, dass es andere da nicht so gut erwischt haben. Auf der anderen Seite fände ich es wichtig, dass junge Menschen auch die positiven Geschichten hören. Mir hätte es geholfen. Es hätte mir Sorgen und Ängste genommen. Denn das Leben mit Baby muss nicht nur anstrengend sein.

Cecilia Capri mit ihrem Mann Mathias und Söhnchen Camillo.
Cecilia Capri

Ich würde sogar behaupten, dass sich unser Leben mit Kind kaum verändert hat. Mein Mann und ich haben eine Firma, und deswegen gab es für uns beide nicht wirklich eine Arbeitspause. Ich habe schon wenige Tage nach der Geburt wieder stundenweise vorm Laptop gearbeitet. Wir sind mit dem Kleinen, als er sieben Wochen alt war, nach Frankreich gereist, wir waren auf Hochzeiten, Skifahren und am Strand. Der große Vorteil ist, dass wir uns die Kindererziehung wirklich 50:50 aufteilen. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, den ganzen Tag allein mit dem Baby daheim zu sein, das würde mich irre machen.

"Wenn ich berufliche Meetings habe, nehme ich unseren Sohn einfach mit"

Wenn ich berufliche Meetings habe, nehme ich unsere Sohn mit. Der lag zu Beginn entweder im Kinderwagen oder an meinem Busen, jetzt krabbelt er durchs Büro. Geschäftspartner oder Kundinnen freuen sich meistens darüber. Ich will damit auch ein Statement setzen. Kinder gehören zu unserem Leben dazu. Sie sollten nicht nur auf Spielplätzen im öffentlichen Erscheinungsbild auftreten. Das führt dazu, dass sich viele Eltern (vor allem Mütter) zu Hause isolieren und gar nirgends mehr hingehen. Aus Angst, das Kind könnte im Café weinen oder würde im Restaurant jemanden stören.

Das ist auch der Grund, warum ich auf Instagram regelmäßig poste, wie unser Alltag mit Baby aussieht. Ich will damit anderen Eltern zeigen, dass es nicht eine richtige Art geben kann, wie man als Familie lebt. Ja, wir fahren mit dem Kinderwagen über den zugefrorenen Weißensee. Ja, wir packen unser Baby in die Trage, setzen ihm einen Gehörschutz auf und gehen zu einem Konzert. Wir machen eben vieles anders, als es in Ratgebern steht. Wir lassen uns auch nicht von anderen sagen, was für uns als Familie gut ist. Das wissen wir selbst am besten. Viele junge Eltern, besonders wir Frauen, lassen sich da schnell verunsichern, weil die "Allgemeinheit" immer weiß, was man tun oder nicht tun sollte, sobald das Kind da ist.

Bedürfnisorientierte Erziehung heißt aber nicht, dass man alles nach den Bedürfnissen des Kindes ausrichtet, sondern die Bedürfnisse der ganzen Familie im Blick hat. Wir versuchen, unser Kind in unser Leben zu integrieren, sodass es uns alle glücklich macht. Und uns scheint, dass es unserem Kleinen damit sehr gut geht.

Was sich aber definitiv verändert hat, ist unsere Spontanität. Das Leben mit Kind muss durchorganisiert sein, wenn du noch Beziehung, Sport, Freunde unterkriegen willst. Schnell eine Stunde ins Fitnessstudio geht halt mit Kind nicht. Dann brauchst du einen Babysitter oder musst dich mit deinem Partner absprechen. Wir planen unsere Woche immer schon im Voraus und halten uns konsequent daran. Termine verschieben oder absagen, so etwas gibt es bei uns nicht. Ansonsten passiert es eben schnell, dass man das Dinner mit der Freundin absagt, weil man zu müde ist, oder die Sportstunde doch auf morgen schiebt, weil das Baby grade Schnupfen hat und vielleicht doch Mama braucht. Auch hier: Das ist bei uns ein absolutes Privileg.

Ich weiß, viele Eltern haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, sich Babysitter zu nehmen. Wenn dann zusätzlich auch keine Großeltern in der Nähe sind, die einmal aushelfen, wird es schwer mit den eigenen Freiheiten. Deswegen ist mein Tipp, von Beginn an Freunde und Freundinnen um Hilfe zu bitten. Ein oder zwei Stunden am Wochenende mit dem Wagerl spazieren gehen, das machen die meisten sogar gern. Auch das ist etwas, das wir wieder lernen müssen. Sich gegenseitig entlasten, Hilfe anbieten, Hilfe annehmen. Man sagt nicht umsonst: Eltern brauchen ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. (Cecilia Capri, 33, Unternehmerin aus Graz, hat einen Sohn, 7 Monate alt)

Patrick* (47) hat zwei Töchter (6 und 3)

Wie würde mein Leben ohne Kinder aussehen? Die Antwort: Es wäre schön. Ich würde viel herumreisen, Partys feiern, ins Theater gehen, frei sein. Das ginge sicher noch so für die nächsten zwanzig Jahre. Nur, das habe ich ja auch schon zwanzig Jahre davor gemacht. Mit 41 Jahren war ich ganz einfach bereit für einen neuen Lebensabschnitt.

Ich mag Veränderungen. Das Leben mit Kind bringt ständig Veränderungen. Als meine Partnerin schwanger war, sind wir in eine größere Wohnung gezogen. Als das Baby da war, hat sich mein Rhythmus verändert. Ich arbeite nicht mehr bis spätnachts. Ich bin ein Frühaufsteher geworden. Reisen passieren nicht mehr spontan, sondern werden im Vorfeld geplant. Arbeitszeiten sind nicht mehr flexibel, sondern werden genau eingehalten, damit sich das innerhalb der Tagesbetreuung ausgeht.

Aber auch mit dem Heranwachsen der Kinder verändert sich konstant etwas. Das Leben mit Baby ist anders als das Leben mit Kleinkind oder mit Schulkind. Wenn man nicht will, dass sich etwas im Leben verändert, würde ich deswegen raten, keine Kinder zu bekommen. Wenn man allerdings bereit ist für Neues, dann sind Kinder eine großartige Bereicherung.

"Wir teilen uns Arbeit, Kindererziehung und Haushalt fair auf"

Meine Partnerin und ich leben in einer sehr gleichberechtigten Beziehung. Sie ist auch selbstständige Theaterregisseurin. Wir teilen uns Arbeit, Kindererziehung und Haushalt fair auf. Oft sind wir wochenlang beruflich weg, dann ist der andere in der Zeit mit den beiden Kindern allein. Diese Gleichberechtigung erfordert viel Planung und Organisation.

Auch persönliche Freiheit wird bei uns immer ausverhandelt. Da spielt oft der grundlegende Diskurs der Gleichberechtigung und der klassischen Rollenverteilung mit hinein. Im Alltag handeln wir nicht bloß aus, wer heute Abend mit Freunden auf ein Bier gehen kann oder übers Wochenende allein wegfährt, sondern auch 2.000 Jahre Sozialgeschichte und Patriarchatskritik.

Auf der anderen Seite hat meine Partnerin bei Erziehungsthemen meist das letzte Wort. Da sind wir uns nicht immer einig, vieles sehe ich im Umgang mit meinen Töchtern lockerer. Vielleicht ist das auch das Einzige, das ich rückblickend anders machen würde: meinen Standpunkt als Vater stärker vertreten. (Patrick*, 47, Regisseur und Fotograf aus Wien, hat zwei Töchter, 6 und 2 Jahre alt)

Hedy* (35) hat eine Tochter (4)

Es ist Februar, wir haben ein Kleinkind in einer Kinderkrippe. Wir sind also zum fünften Mal innerhalb von vier Wochen krank. Gerade fühlt sich Elternschaft für mich an wie ein Spagat zwischen dem ständigen Streben nach einem schönen Familienleben und dem permanenten Überschreiten meiner eigenen Grenzen.

Das war nicht immer so. Die Babyzeit habe ich geliebt, das erste Mal in meinem Leben war ich mir hundertprozentig sicher, dass ich etwas gut mache und niemandes Validierung dafür brauche. Das Kind ist mir – ganz bewusst – das Wichtigste. Mein altes Leben ist wie ein Kapitel in einem Buch, das ich gern und wohlwollend beende. Ich habe im Job viel erreicht, bin gereist, habe wichtige Leute getroffen. Dass ich das geschafft habe, gab mir endlich die Erlaubnis, das nächste Kapitel zu öffnen. Das Leben als Familie. Mein Fokus für die nächsten Jahre: Ich will die Zeit bestmöglich gestalten. Mein Kind ist das Zentrum, unser Band ist stark.

"Wie kann ich in dem ganzen Zirkus noch mich selbst im Auge behalten?"

Ich war immer schon leistungsorientiert, habe in Sprints gelebt. Ausdauer ist nicht mein Ding. Schwangerschaft? Gut gelaufen. Geburt? War schön. Babyzeit? Sehr unkompliziert. Kinderfaschingsparty? Gerockt. Doch jetzt geht es erst so richtig los. Jetzt kommen gerade die großen Themen auf mich zu: Wie kann ich voll für unser Kind da sein und trotzdem Zeit für meinen Partner haben? Wie entscheide ich in der Erziehung jeden Tag zwischen dem Richtigen und dem Bequemen? Wie kann ich in dem ganzen Zirkus noch mich selbst im Auge behalten? Und wieso liegen hier im Februar noch immer Weihnachtssachen herum?

Das Kind ist jetzt vier. Die Sprints werden zum Marathon, noch einmal fühlt es sich so an, als würde unsere Elternschaft gerade erst beginnen. Und mir geht jetzt schon die Puste aus. Seit einigen Monaten arbeite ich wieder für 30 Stunden die Woche, ich bin beruflich viel unterwegs. Überall fehlen plötzlich Zeit und Nerven. Fürs Kind, für die Beziehung, für den Haushalt, für mich selbst. Das Leben, das wir bewusst gestalten wollten, spürt man im Moment wenig. Dabei hätten wir alle Möglichkeiten: Betreuung, finanzielle Mittel, Freiheit, Gesundheit.

Meine Hoffnung und mein Anspruch an Elternschaft wären unterm Strich, für mein Kind und unser Familienleben alles übereinanderzubringen. Wie geht sich das aus? Ich weiß es noch nicht. Ich habe das Gefühl, ich fange gerade erst an. (Hedy*, 35, Unternehmensberaterin aus Wien, hat eine Tochter, 4 Jahre alt)

Marie* (42) hat zwei Töchter (10 und 6)

Ich finde, mit einem Kind verändert sich der Fokus im Leben total. Vom eigenen Leben weg hin zum kleinen Menschen. Diese Fokusverschiebung fordert auf vielen Ebenen, gleichzeitig bereichert sie.

Ich war 32 Jahre alt, als meine erste Tochter zur Welt kam. Meine Vorstellungen von Elternschaft waren sehr ideell. Ich habe mich immer als total entspannte Mutter gesehen. Doch es war viel anstrengender als geglaubt. Vor allem physisch. Mein Partner und ich waren total übermüdet, das zieht sich in den ganzen Tag rein, dann ist man natürlich auch launischer.

In der Karenzzeit wollte ich so gerne mehr unternehmen: ins Café, ins Museum, Freundinnen treffen. Oft musste ich absagen, weil ich es körperlich und psychisch nicht geschafft habe. Meist habe ich dann einfach andere Babymamas besucht oder die Nachmittag auf dem Spielplatz verbracht. Wir leben in einem Wohnprojekt, das macht auch vieles einfacher. Die Familien entlasten sich gegenseitig, die Kinder sind oft bei den Nachbarn. Darüber sind wir sehr glücklich!

"Je älter die Kinder werden, desto mehr wird das Familienleben wie eine WG"

Was ich irrsinnig anstrengend fand: Wir konnten nicht mehr in Ruhe essen, weil das Baby ständig irgendetwas brauchte. Eine Zeit lang saßen mein Partner und ich nicht mehr gemeinsam am Tisch. Das hat uns oft zum Streiten gebracht, weil wir hungrig waren. Sobald die Kinder mit etwa einem halben Jahr im Hochstuhl sitzen und selber essen, wird das aber auch besser.

Für mich war die Erkenntnis wichtig, dass Streitereien in dieser Phase oft nichts mit der Beziehung zu tun haben. Ich habe teilweise geglaubt, wir mögen uns nicht mehr. Aber die Stimmung war den äußeren Umständen geschuldet. Einige kinderlose Freunde haben mich gepusht, dass ich mehr in die Beziehung investieren sollte. Aber das habe ich einfach nicht geschafft. Dann hat sich das wie eine zusätzliche Anforderung angefühlt. Also habe mich davon befreit und mich auf die Zeit verlassen. Hat funktioniert: Die Zeiten als Paar kamen wieder zurück. Je älter die Kinder werden, desto mehr wird das Familienleben wie eine WG. (Marie*, 42, Sozialarbeiterin aus Wien, hat zwei Töchter, 10 und 6 Jahre alt)