Eine Frau und ein Mann sitzen am Tisch und spielen
Beim Play & Date spielen Singles miteinander "Jenga" oder "Vier gewinnt".
Walter Skokanitsch

Es ist 19.15 Uhr, und langsam füllt sich der Raum des NOA im ersten Wiener Gemeindebezirk. Dreizehn Männer und dreizehn Frauen werden erwartet. Alle sind angespannt – und voller Vorfreude. Im Moment sind deutlich mehr Männer da. Sie warten überpünktlich mit einem Glas Sekt in der Hand. Vielleicht, um einen guten Eindruck zu machen, vielleicht, um sich schon einmal umsehen zu können. Auf den Tischen stehen Tischnummern und Spiele wie "Jenga", "Wer bin ich" oder "Mikado". Ein Stationenbetrieb ist geplant.

Wir sind bei einem Dating-Event, bei dem gespielt werden soll. Play & Date heißt das Angebot, und es fällt unter die Kategorie Slow Dating. Die Teilnehmenden sind zwischen 27 und 42 Jahre alt. Eigentlich findet der Event auf Englisch statt, doch überall hört man deutsche Wortfetzen. Alle Personen tragen ein Namensschild mit einer Nummer. Die wird später fürs Matching gebraucht, das von den Veranstaltern organisiert und durchgeführt wird.

Heute müssen keine Handynummern und Insta-Handels ausgetauscht werden. Können sie aber natürlich. Motto des Abends: Alles kann, nichts muss. Helena Spindler veranstaltet gemeinsam mit ihrem Bruder Till Spindler seit sechs Jahren Slow-Dating-Events in Wien. Sie erklärt: "Bei uns muss keiner Angst vor Abweisungen haben." Am Ende des Abends bekommt jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin einen Zettel. Dann kann man ankreuzen und anonym entscheiden, wen man gerne kennenlernen will. Kreuzen beide ja an, werden sie von den Veranstaltern miteinander vernetzt. Damit kommt auch niemand in die unangenehme Situation, jemanden abweisen zu müssen.

Neuer erster Eindruck

Zu Beginn des Events bekommt jeder ein Kärtchen mit einer vorgegebenen Frage. Diese soll das erste Eis brechen. Mann Nummer fünf trägt einen blauen Pullover, der seine Augen unterstreicht. Er geht auf eine Gruppe zu. "Was ist euer Lieblingsdessert?", fragt er in die Runde. Seine Aufgabe ist, jemanden zu finden, der ebenfalls Crème brû­lée liebt. Vorerst ohne Erfolg.

Eine Gruppe von Menschen spricht miteinander – sie haben Nummern auf ihren Shirts
Bei einem Slow Date ist genug Raum und Zeit vorhanden, um sich besser kennenzulernen.
Walter Skokanitsch

Beim Slow Dating werden keine Hard Facts binnen kürzester Zeit abgefragt. Es geht vielmehr darum, einen ersten Eindruck zu gewinnen. Heute zum Beispiel soll man sich über ein gemeinsames Spiel kennenlernen. Es gibt aber verschiedene Zugänge. Beim Silent-Dating etwa sollen sich Singles kennenlernen, ohne ein Wort zu wechseln. Unter Anleitung machen sie Übungen, berühren sich, lächeln sich zu und schauen sich tief in die Augen.

"Es sei faszinierend, wie viel man von anderen Menschen mitbekommt, wenn sie nichts sagen", findet Helena, die Veranstalterin. Gerade der erste Eindruck sei unglaublich wichtig. Sie erzählt von einem Teilnehmer, der stotterte. Beim Silent-Dating konnte er einen ersten Eindruck vermitteln, ohne dass sein Stottern sofort auffiel. Beim Slow Dating geht es auch darum, Vorurteile abzubauen.

Wer lieber redet, aber Smalltalk nicht mag, der ist beim Realtalk-Date richtig. Till erzählt: "Die Teilnehmenden bekommen von uns Gesprächsinputs." Er nennt Beispiele: "Gib schamlos über dich an" oder "Was wäre das Erste, was du machen würdest, wenn du unsichtbar wärst?" Statt wie beim Speed-Dating eine Liste bezüglich Alter, Beruf, Herkunft abzuhacken, orientieren sich Singles in diesem Fall an den Antworten des Gegenübers. Finde ich seine Idee schräg, lustig oder eher verstörend? Ist er kreativ oder eher pragmatisch und logisch?

Holpriger Start

Der Event im ersten Bezirk hat begonnen. Bei "Wer bin ich" diskutieren die Teilnehmenden mit viel Gelächter darüber, ob James Bond als Detektiv oder Spion klassifiziert werden sollte. Wirklich zum Reden und sich Kennenlernen kommen sie bei diesem Spiel nicht. Ob allerdings der Vibe stimmt, lässt sich sofort sagen. Das ist bei "Jenga" anders. Während die Teilnehmenden versuchen, ein Stäbchen rauszufischen, ohne den Turm zu stürzen, kommen dann doch die Basic-Fragen wie beim Speed-Dating: "Was machst du so beruflich?", fragt eine Frau. Doch der Mann möchte heute nicht über seinen Job sprechen. Kurze Stille. "Was ist deine Lieblingsfarbe?", fragt er sein Gegenüber. "Rot." – "Warum?" – "War schon immer so. Deine?" – "Blau." – "Warum?" – "War irgendwie auch schon immer so."

Eine Frau und ein Mann beim Silent Dating
Dating unter Anleitung, ohne miteinander zu sprechen? Beim Silent-Dating sollen sich Teilnehmerinnen auch körperlich näher kommen.
Walter Skokanitsch

Erst bei Runde drei merkt man, dass die Nervosität langsam von der Gruppe abfällt. Diese positive Anspannung ist etwas, das durchaus von den Organisatoren gewollt ist. Till erklärt: "Man soll auch ein bisschen aus seiner Komfortzone rausgehen. Das Herz soll pumpern, im Magen soll es ein bisschen flattern. Das ist ein guter Start für jedes Kennenlernen."

Keine Garantie

Das Konzept ist erfolgreich, das Feedback ist gut. Immer wieder melden sich Menschen, die sich bei einem ihrer Events kennengelernt haben. Sie erzählen dann erfreut über ihre Verlobung, Heirat oder das erste Baby. Das freut Till und Helena natürlich besonders. "Wir merken, dass viele Menschen einsam sind. Selbst wenn man niemanden an diesem Abend kennenlernt, hatte man meist viel Spaß oder gute Gespräche", sagt Helena, die als Soziologin das Thema Einsamkeit erforscht.

34 Euro kostet so ein Dating-Abend pro Teilnehmer. Eine Garantie dafür, dass man die große Liebe findet, gibt es natürlich nicht. Meist sind es Langzeitsingles, Personen, die keinen Bock auf Dating-Apps haben, oder Neugierige, die Slow-Dating-Events besuchen. Der Großteil ist zwischen Mitte 20 und Mitte 40. "Wir haben auch schon Events für ältere Menschen versucht. Aber da ist das Problem, dass es vor allem Frauen sind, die sich anmelden. Viele ältere Männer suchen bewusst keine Frauen in ihrem Alter, sondern jüngere", erzählt Till.

Als der organisierte Spieleabend zu Ende geht, sammeln Till und Helena die Zettel mit den Kreuzchen ein. Sie haben im Lokal noch einen Tisch reserviert, an dem die Teilnehmenden das Kennenlernen noch ausdehnen können. Helena und Till räumen noch auf. Als sie um halb zwölf das Lokal verlassen, ist die Hälfte der Gruppe noch da. Wo der Abend danach noch hingeführt hat, bleibt ihr Geheimnis. (Sandra Gloning, 24.2.2024)