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Eine Gedenkkundgebung gegen Femizide am Samstag, 24. Februar 2024, in Wien-Brigittenau.
APA/MAX SLOVENCIK

Bis vor kurzem sah es so aus, als könnte 2024 womöglich ein Jahr mit weniger Femiziden werden. Doch dann wurden innerhalb weniger Tage fünf Frauen und ein Mädchen getötet, in Wien und in Niederösterreich – und es zeigt sich: Es wird auch heuer nicht besser.

Seit 2020 waren es jährlich durchschnittlich 27,5 Femizide. Das Entsetzen ist angesichts dieser Dichte an brutaler tödlicher Gewalt groß. Auch die Frustration, denn eine große Überraschung ist es angesichts der gewaltvollen Kontinuität nicht.

Und auch das grundlegende Problem dahinter ist kein Rätsel. Es heißt Frauenhass. Jeder Fall für sich ist fürchterlich, und da fällt der Blick auf die Metaebene schwer. Es scheint kaum erträglich zu sein, dass dies Taten sind, deren Ursachen auch in Teilen unseres gelebten Alltags liegen, und es an uns allen liegt, diesen Alltag zu verändern. Frauen werden anders bewertet, ihnen wird bis heute eine andere Rolle als Männern zugeschrieben, und sie laufen Gefahr, Opfer zu werden, wenn sie diesen Rollenerwartungen nicht entsprechen. Der Nährboden für geschlechtsspezifische Gewalt ist Sexismus, und der Kampf gegen diesen wird schnell mal als überspanntes "Genderdings" verlacht.

Gewaltschutz, aber zu wenig systematisch

Doch auch wenn das grundlegende Motiv ein universelles ist, haben die vergangenen Tage gezeigt, wie unterschiedlich sich Frauenverachtung äußern kann. Besonders oft sind es die Partner oder Ex-Partner, die Frauen gefährlich werden können. In jüngerer Vergangenheit, besonders im Frühsommer 2022, wurden Frauen auch oft Opfer von "erweiterten Suiziden". Ob es sich in dem aktuellen Fall in Niederösterreich um einen solchen handelt, ist noch unklar. Ein 93-jähriger Mann soll seine 83-jährige Ehefrau mit einer Schusswaffe getötet und dann einen Suizidversuch unternommen haben.

Die Psychiaterin Heidi Kastner erklärte dem STANDARD in einem Beitrag, dass das zentrale Element eines "erweiterten Suizids" ist, dass erst der Entschluss fällt, sich selbst zu töten", und in "zweiter Linie eine andere Personen miteinbezogen wird – und diese Person wird als abhängig erlebt". Auch hier landen wir wieder bei den Rollenbildern. Seltener passieren Morde wie jener am Freitag, in denen zwischen Opfer und Täter kein Naheverhältnis bestand. Ein Asylwerber tötete drei Sexarbeiterinnen.

"Österreich verfüge über ein gut ausgebautes Gewaltschutzsystem", heißt es in einer ersten Reaktion von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Aber es lasse sich nicht jeder einzelne Fall von Gewalt verhindern, gerade wenn es keine Hinweise im Vorfeld gegeben habe. Die Aussage, dass nicht alle Fälle verhindert werden könnten, ist angesichts der Menge keine passende Reaktion. Es sind zu viele, die nicht verhindert werden konnten. Und anstatt festzustellen, man könne nur etwas tun, wenn sich Frauen bei der Polizei oder Gewaltschutzeinrichtungen melden, muss man die Frage stellen: Warum melden sich noch immer zu wenige Gewaltbetroffene bei der Polizei oder einer Gewaltschutzeinrichtung?

Lücken offenlegen

Raab hat aber recht, wenn sie von einer Vielzahl an Maßnahmen und Einrichtungen spricht. Die gibt es. Doch was fehlt, ist ein nationaler Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Ein solcher kann für ein koordiniertes Vorgehen sorgen. Strategie und Transparenz, das fehle dem österreichischen Gewaltschutz, urteilte auch der Rechnungshof vergangenen Sommer und bemängelte sowohl eine Gesamtstrategie als auch den fehlenden Einblick in den genauen Einsatz der finanziellen Mittel für den Gewaltschutz.

Einen Aktionsplan zum Schutz von Frauen gab es zwischen 2014 und 2016, als Gabriele Heinisch-Hosek Frauenministerin (SPÖ) war, schon mal. Es ist also weder neu, noch wäre es Rocket-Science, wieder einen solchen zu installieren. Eine bessere Koordination der Maßnahmen würde auch Lücken offenlegen und zeigen, wo noch zu wenig hingeschaut wird, sagte Nicole Krejci, Leiterin des Gewaltschutzzentrums Wien, im Ö1-Interview.

Denn es ist zwar immer die Abwertung der Frauen, ihr Ausdruck ist aber leider vielfältig. Es braucht eine Konzentration darauf, was noch fehlt, um gezielt und erfolgreicher gegen Gewalt vorzugehen. Um mehr verhindern zu können, viel mehr. (Beate Hausbichler, 27.2.2024)