Das Schminken des menschlichen Körpers ist vermutlich ähnlich alt wie die Menschheit selbst. In Europa benützten die Neandertaler schon vor 50.000 Jahren roten Hämatit und schwarzen Pyrit, um sich damit anzumalen – an welchen Stellen und zu welchen Zwecken ist allerdings nicht ganz einfach zu rekonstruieren.

Vorformen heutiger Kosmetik kamen spätestens im Alten Ägypten zur Anwendung: Salben und Öle als eine Art Sonnencreme, Rouge für die Wangen, Lidschatten und diverse Schminkfarben für die Augen sowie Kajal. Auch Lippenfarbe wurde bereits aufgetragen, wie bei Ausgrabungen gefundene Kosmetikareste sowie einschlägige Rezepte zeigen. Insbesondere die Abbildungen der Königin Nofretete, die im 14. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung lebte, zeigen die durchaus modernen Schminkpraktiken inklusive tiefroter Lippen und stark betonter Augenpartien.

Nofretete Lippenstift Kosmetik
Die Beautyqueen des Alten Ägyptens: Büste der Nofretete mit sichtbaren Spuren des Lippen- und des Kajalstifts.
Gemeinfrei / Wikimedia

Dass die Färbung der Lippen deutlich älter sein dürfte, vermuten Archäologinnen und Archäologen seit langem. Der früheste Fund, der auf das Färben von Lippen hindeutet, ist 5.500 Jahre alt und stammt aus der sumerischen Stadt Ur (im heutigen Irak). Rot gefärbte Lippen dürften dabei nicht nur Frauen, sondern auch Männer zu kriegerischen Zwecken getragen haben.

Bronzezeitlicher Lippenstift

In der Gegend des heutigen Iran fanden Forschende um den italienischen Archäologen Massimo Vidale (Universität Padua) nun einen weiteren Beweis für diese Annahme: nämlich die mutmaßlichen Reste eines tiefroten Lippenstifts, der womöglich auch noch schimmerte. Die Lippenfarbe befand sich in einer kleinen, kunstvoll verzierten Phiole aus dem Mineral Chlorit, das bereits im Jahr 2001 in der Region Jiroft im Südosten des Iran entdeckt worden war.

Die etwa fünf Zentimeter hohe Phiole, in der sich der "Lippenstift" befand – damals eindeutig noch ohne Herausdrehoption.
M. Vidale, Scientific Reports 2024

Jüngste Radiokarbondatierungen ergaben, dass der Lippenstift zwischen 1936 und 1687 vor unserer Zeitrechnung hergestellt wurde, womit er wahrscheinlich der älteste chemisch nachgewiesene Lippenstift sei, wie das internationale Team im Fachblatt "Scientific Reports" schreibt. Für das Archäologenteam kam die Datierung des bronzezeitlichen Lippenstifts nicht sonderlich überraschend angesichts der überaus langen Tradition der Kosmetik im alten Iran, wie es ergänzte.

Die chemische Analyse der in der Phiole verbliebenen Rückstände, die inzwischen einem feinen violetten Pulver ähneln, ergab, dass sie überwiegend Hämatit enthalten, das für seine intensive rote Farbe bekannt ist, die durch Manganit und Braunit verdunkelt wird und Spuren von Bleiglanz, Anglesit und anderen organischen Substanzen enthält. Auch Pflanzenfasern waren in der archaischen Kosmetikmischung enthalten – vermutlich aufgrund ihrer aromatischen Eigenschaften.

Lippenstift
Die Bestandteile des bronzezeitlichen Lippenstifts in starker Vergrößerung.
F. Zorzi, Scientific Reports 2024

Ähnlichkeiten mit heutigen Produkten

Die Forscher entdeckten zudem Quarzpartikel, die aus gemahlenem Sand oder Kristallen stammen. Sie vermuten, dass sie beigefügt wurden, um dem Ganzen einen gewissen Schimmer zu verleihen. Eine weniger glamouröse Erklärung besteht allerdings darin, dass die Partikel aus der Innenseite der Phiole stammen könnten. Ob glitzernd oder nicht, die Mischung "hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Rezepturen heutiger Lippenstifte", resümieren die Autoren.

Selbst bei der Verpackung ging man nach modernen Prinzipien vor: Die Phiole selbst ist mit feinen Einschnitten verziert und unterscheidet sich "von allen anderen derzeit bekannten ähnlichen Objekten". Aus diesem Grund und wegen des ungewöhnlichen Inhalts vermuten die Forschenden, dass kosmetische Produkte in der Antike in standardisierten Behältern verpackt und gehandelt wurden – ähnlich wie es bei heutigen Kosmetika und Parfüms der Fall ist. (tasch, 2.3.2024)