Mann spricht mit Frau
Während junge Frauen eher links wählen, driften junge Männer offenbar immer weiter nach rechts ab.
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"Der Grundgedanke von Feminismus ist gut, aber heutzutage ist es nur mehr Männerhass", schreibt Moritz* auf der Datingplattform Bumble. Und löst bei uns Irritation aus: Was soll das heißen? Warum hat er so eine Vorstellung von Feminismus? Doch viele junge Männer, stellen wir bei unserem Selbstversuch fest, sehen das offenbar ähnlich wie er.

Wir – vier STANDARD-Redakteurinnen – wollten wissen, wie Männer der Generation Z über die Themen denken, die uns beschäftigen. Wir haben uns dafür auf Tinder, Bumble und Hinge umgesehen und mit rund 15 Matches pro Dating-App über Feminismus gesprochen. Im eigenen Profil geben wir auf Tinder und Bumble nur das Alter (21), ein paar Fotos und einige relativ generische Interessen wie Reisen oder Yoga an, Feminismus steht nicht dabei. Auf Hinge teilen wir mit, dass wir über das Thema gerne diskutieren wollen, präsentieren uns sportlich und in Feierlaune.

Dann beginnen wir zu swipen. Was wir suchen: Männer zwischen 19 und 26, die in Österreich leben. Weitere Ansprüche haben wir nicht. Nach ein bisschen Smalltalk wollen wir von ihnen wissen, was Feminismus für sie bedeutet. Wenn sie positiv darauf reagieren, fordern wir sie mit einer Gegenposition heraus, schreiben etwa, dass wir keine "Quotenfrau" sein wollen. Wenn sie negativ auf Feminismus reagieren, fragen wir, warum.

Politische Unterschiede

Eigentlich könnte man den Eindruck bekommen, die Gen Z bestehe fast nur aus Feminist:innen. Zumindest suggeriert das zunächst die aktuellste Ö3-Jugendstudie, an der knapp 40.000 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren teilgenommen haben. 97 Prozent der Befragten finden, dass Männer und Frauen die gleichen Chancen haben sollten.

Doch der Teufel steckt im Detail. So gab zum Beispiel nur etwas mehr als ein Drittel der jungen Männer an, dass Frauen in Österreich nach wie vor benachteiligt sind. Bei den Frauen waren es 78 Prozent. Oder: Fast die Hälfte aller befragten Männer stimmte der Aussage zu, dass "Männer heute keine echten Männer mehr sein dürfen". Nur 13 Prozent der Frauen sahen das genauso.

Eine Auswertung der "Financial Times" schlägt in eine ähnliche Kerbe und zeigt die politischen Differenzen noch deutlicher: Der Anteil der linksliberal wählenden Frauen unter 30 ist in Deutschland, den USA und Großbritannien beinahe bis zu einem Drittel höher als jener der gleichaltrigen Männer. Während junge Frauen also linker wählen, driften junge Männer immer weiter nach rechts ab.

Ein Umstand, der sich vor allem an jenem Ort bemerkbar macht, an dem sich heutzutage junge Menschen außerhalb ihrer Bubble kennenlernen: beim Onlinedating. Schon im Vorjahr beschwerte sich etwa eine junge Kolumnistin von "Die Chefredaktion" darüber, dass die Partnersuche aufgrund divergierender politischer Ansichten immer komplexer werde. "Ich habe das Gefühl, die Werte meines weiblichen Umfelds haben nichts mit den Werten meiner männlichen Dating-Partner gemeinsam", schrieb die anonyme Autorin in ihren Zwanzigern. "Als würden wir auf unterschiedlichen Planeten leben, dabei gehören wir derselben Generation an."

Ähnliche Erfahrungen machen wir auch bei unserem Selbstversuch: Auf den ersten Blick haben sämtliche unserer Matches mit Feminismus kein Problem. Zumindest behaupten sie das, wenn man sie im virtuellen Gespräch danach fragt. Gleichberechtigung sei ein wichtiges Thema, vor allem beim Gehalt dürfe es keine Diskriminierung geben. Doch dann folgt – unabhängig davon, ob oder wie sich jemand im Profil politisch positioniert – zumeist das große Aber.

"Manche Frauen nutzen das Thema Feminismus für sich aus. Aber ich bin wirklich voll für Gleichberechtigung." - Lukas auf Tinder

Strittige Stressresistenz

Tinder-Match Lukas findet etwa Gleichstellung in der Arbeitswelt total wichtig, "manche Frauen" würden das aber "falsch auslegen bzw. das Thema Feminismus für sich ausnutzen". Sie würden sich dann "im Endeffekt über alles stellen, weil sie eine Frau sind", erklärt der 23-Jährige. Als wir einen Tag lang nicht mehr antworten, hängt er ein "Aber ich bin wirklich voll für Gleichberechtigung" an.

Auch Paul sieht im Tinder-Gespräch die Erfolge des Feminismus "seit den 50ern" positiv, seiner Meinung nach sind Frauen und Männer "in den meisten Fällen gleichberechtigt". Allerdings klagt er dann über die "ultra Feministen, die meinen, man muss die Balance der Gleichberechtigung zugunsten von Frauen kippen und Männer sind ja der letzte Dreck". Ihnen gegenüber sei er "wirklich negativ eingestimmt".

"Männer sind bei erfolgreichen Firmen öfter zu sehen, weil sie mit Stress besser umgehen können und die besseren Entscheidungen treffen." - Elias auf Tinder

Elias "mag Frauen", hat nichts gegen Feminismus und denkt, "dass auch eine Frau meistens jede Stelle eines Mannes übernehmen kann". Großes Aber: "Trotzdem sind Männer bei erfolgreichen Firmen öfter zu sehen, weil sie mit Stress besser umgehen können und die besseren Entscheidungen treffen", behauptet er auf Tinder. "Viele Frauen wollen das nicht einsehen und nehmen die Sache viel zu ernst." Wir gehen nicht davon aus, dass er schon einmal mit einer Vollzeit arbeitenden Alleinerzieherin über Stressresistenz gesprochen hat.

Paar trinkt gemeinsam Kaffee
Die Männer, mit denen wir matchen, befürworten Gleichberechtigung grundsätzlich. Oft folgt dann ein Aber.
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Hinge-Match Niklas findet, in Österreich sei Gleichberechtigung eigentlich erreicht. Feminismus brauche es vor allem in Ländern, "wo Frauenrechte nicht sehr stark sind". Auch Thomas ist der Meinung, dass Feminismus heutzutage nur außerhalb Europas notwendig sei. Hierzulande, schreibt Niklas, werde ein zu großer Fokus auf "Dinge wie Frauenquoten und Gender-Wage-Gap" gelegt, "welche nicht so sehr Probleme sind wie sie dargestellt werden". Er findet, dass etwa Frauenquoten keine gute Lösung seien, "weil damit weniger auf Qualifikation geschaut wird, sondern auf Aspekte, mit denen man geboren wird".

Geleugnete Gehaltsunterschiede

Bumble-Match Moritz findet, dass "Frauen künstlich in irgendwelche Positionen geschoben werden, um die Frauenquote zu erfüllen." Den Gender-Pay-Gap gebe es nicht mehr, er würde durch Kollektivverträge nichtig gemacht. Tatsächlich liegt der Gender-Pay-Gap je nach Berechnungsmethode zwischen 14 und 36 Prozent – und damit jedenfalls nicht bei null. Vergleicht man die Bruttostundenlöhne, so verdienen Frauen laut Statistik Austria 18,4 Prozent weniger als Männer. Damit ist Österreich hinter Estland das Land mit dem zweitgrößten Gender-Pay-Gap in der EU.

"Frauen werden künstlich in irgendwelche Positionen geschoben, um die Frauenquote zu erfüllen." - Moritz auf Bumble

Dass die persönliche Wahrnehmung nicht immer die Wirklichkeit wiedergibt, zeigen auch andere Zahlen der Statistik Austria: Was Gleichstellung betrifft, hinkt Österreich in vielen Bereichen hinterher. Laut der letzten Zeitverwendungserhebung wird noch immer die Mehrheit der unbezahlten Haushalts- und Betreuungsarbeit von Frauen erledigt. Oft können sie deshalb nur Teilzeit arbeiten und verdienen weniger.

Einer aktuellen Studie des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts zufolge wird der Grundstein dafür bereits in der Kindheit gelegt. Konkret zeigen die Erhebungen, dass zehn- bis 14-jährige Mädchen um 31 Prozent mehr Hausarbeit übernehmen als ihre männlichen Altersgenossen.

Gefühlte Benachteiligung

Einige unserer Matches sehen Männer dennoch explizit benachteiligt. Bei Debatten werde nur beachtet, wer "das größere Opfer" ist, findet Florian. Dann dürfe man alles sagen – "aber wenn du ein weißer Mann bist und nicht 100% allem zustimmst, bist du Frauen/Trans/Menschenfeindlich". Die Probleme junger Männer würden teils nicht ernst genommen. "Es wird so dargestellt, als hättest du keine, wenn du ein weißer Mann bist", schreibt er.

Eine Meinung, die sich bei weiterer Nachfrage als ziemlich verbreitet entpuppt. Als Feministen wollen sich viele nicht bezeichnen – auch weil dies als "übertrieben" wahrgenommen wird. Bumble-Match Daniel zum Beispiel ist "kein Feminist", aber "auch nicht auf der Seite der Männer". Eher sei er "neutral und für mehr Gleichberechtigung".

In anderen Fällen scheinen unsere Chatpartner geradezu erleichtert, dass wir Feminismus nicht so gut zu finden scheinen. Felix etwa "hatte schon Sorge, dass du sehr extrem bist, wenn du das gleich als erste Frage stellst". Bumble-Match Philipp, der grundsätzlich "nichts gegen Feminismus hat", reagiert auf unsere Nachricht, dass wir Frauenquoten nicht zielführend finden, mit: "Du bist sympathisch. Ich mag dich."

"Wer sich davon bedroht sieht, dass Frauen für ein besseres Leben kämpfen, ist einfach ignorant." - Yanis auf Hinge

Das gilt aber nicht für alle: Wenn wir uns als Antifeministinnen ausgeben, werden wir in einigen wenigen Fällen auch mit Kontra konfrontiert. Klar sollte die Qualifikation bei der Auswahl einer Bewerberin an erster Stelle stehen, schreibt etwa Leon – es sei aber nicht von der Hand zu weisen, dass es "in der Realität Vorurteile und Biases" gebe, die durch eine Frauenquote bekämpft werden könnten. "Wer sich davon bedroht sieht, dass Frauen für ein besseres Leben kämpfen, ist einfach ignorant", schreibt auch Yanis auf Hinge.

Befreiung von Zwang

Für Aaron bedeutet Feminismus "die Befreiung aller Geschlechter vom Zwang, so oder so sein oder das und das tun zu müssen". Er erklärt, dass Feministinnen und Feministen nichts dagegen hätten, wenn jemand "von sich aus gerne Hausfrau und Mutter sein mag", und dass mit der Quote Frauen nur bei der gleichen Qualifikation den Job bekommen. "Da kriegen nicht unqualifizierte Leute einfach eine Stelle, weil sie Frauen sind."

Bumble-Match Manuel reagiert auf das Argument, Frauen seien in Österreich doch heutzutage gleichberechtigt, mit: "Ich glaube, es gibt schon viele systemische Dinge, wo Frauen benachteiligt sind. Und dem Gedanken, dass ein starres Männlichkeitsbild allen schadet, kann ich schon was abgewinnen." Vielleicht ist noch nicht alles verloren beim Onlinedating. (Muzayen Al-Youssef, Noura Maan, Anna Wielander, Clara Wutti, 8.3.2024)