Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP).
Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP)
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Nach mehreren Frauenmorden innerhalb kurzer Zeit will Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) mit einer Informationsoffensive auf Gewaltschutz setzen. Ziel sei, dass Frauen beim ersten Anzeichen von Gewalt eine Hilfseinrichtung aufsuchen, sagte sie im APA-Gespräch vor dem Frauentag am 8. März. Weiter pochen will sie auf das automatische Pensionssplitting, auf das sich die Koalitionsparteien bisher nicht einigen konnten.

Sieben Frauen wurden heuer in Österreich bereits Opfer eines Femizids – unter ihnen ein 13-jähriges Mädchen. Die Anzahl der Frauenmorde schwanke von Jahr zu Jahr, meinte Raab. So lag die Zahl laut polizeilicher Kriminalstatistik 2014 bei vergleichsweise niedrigen 19, 2018 bei einem Höchststand von 41 und 2022 bei 39 Frauenmorden. Allerdings werde hier jeder dokumentierte Mord erfasst, hieß es seitens des Innenministeriums. Wird die Tat später von einer Staatsanwaltschaft etwa als fahrlässige Tötung eingestuft, findet diese Änderung keinen Einzug in die Statistik. Frauenmorde mit Bezug zu Gewalt in der Privatsphäre gab es 2022 jedenfalls 21, 2023 27.

Nach einer Reihe von Femiziden forderte die zivilgesellschaftliche Kampagnenorganisation #Aufstehn mehr Schutz für Frauen und Mädchen vor männlicher Gewalt. Scharfe Kritik gab es bei einer Protestkundgebung am 6. März in Wien an der Frauenministerin. Die Organisation präsentierte vor ihrem Ministerium in einer symbolischen Aktion die Unterschriften von rund 45.000 Menschen, die sich für besseren Gewaltschutz aussprechen.

Susanne Raab zeigte sich hingegen überzeugt, dass die Regierung im Gewaltschutz "sehr viel" getan habe – "das weiß jeder, der in diesem Feld arbeitet". Sie betonte unter anderem die Verdreifachung des Frauenbudgets und eine 150-prozentige Aufstockung der Frauen- und Mädchenberatungsstellen sowie die Schaffung von Gewaltambulanzen. Trotz eines engmaschigen Gewaltschutzsystems werde es aber wahrscheinlich nicht möglich sein, jeden Fall zu verhindern – gerade dann, "wenn es nie Hinweise im Vorfeld gab, wenn es nie eine Kontaktaufnahme mit einer Beratungseinrichtung oder mit der Polizei gab".

Neue Analyse-Stelle

Um Frauen dazu zu ermutigen, bei ersten Anzeichen von Gewalt Hilfseinrichtungen aufzusuchen, will die Ministerin in den kommenden Wochen eine Informationsoffensive starten. Jede Frau soll wissen, wo sie in ihrer Umgebung Hilfe bekommen könne, auch den Polizeinotruf oder die Frauen-Helpline will Raab damit neuerlich bekanntmachen. Ebenso soll an die Zivilcourage appelliert werden, damit sich Menschen an Beratungsstellen wenden, wenn sie im familiären Umfeld oder Freundeskreis Gewalt wahrnehmen.

Hier gebe es allerdings bereits Verbesserungen: Kontakte zwischen Frauen- und Hilfsorganisationen hätten sich ebenso erhöht wie die Anzahl der Meldungen bei der Polizei. Das sei laut Expertinnen und Experten ein Hinweis darauf, dass sich immer mehr Frauen trauen, sich auf diese Weise Hilfe zu suchen. Derzeit sei man außerdem dabei, die Zusammenarbeit zwischen zuständigen Ministerien, Frauenorganisationen, Polizei, Sozialbereich und Justiz in einer Strategie festzulegen und ein gemeinsames Dach zu bauen, das die Legislaturperiode überdauern soll. Eine Analysestelle soll künftig die Hintergründe jedes Mordes erforschen.

Ein Herzensprojekt Raabs ist es, mehr Mädchen und Frauen für den Mint-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu begeistern. Derzeit sind laut Bundeskanzleramt zwölf Prozent der Lehrlinge in technischen Lehrberufsgruppen weiblich – eine immer noch sehr niedrige Zahl, die sich aber seit 2005 (4,7 Prozent) gesteigert hat. Raab will unter anderem mit "Role-Models" an Schulen Klischees aufbrechen, schließlich sollen Frauen an der Digitalisierung teilhaben. "Ansonsten laufen wir Gefahr, dass die Perspektive der Frauen in einem zentralen Zukunftsfeld nicht abgedeckt wird." Dem auch in Mint-Berufen bestehenden Gender-Pay-Gap will sie etwa mit einem Investment in die Kinderbetreuung – ab heuer bis 2030 fließen hier 4,5 Milliarden Euro – entgegenwirken. Denn wegen Teilzeitarbeit aufgrund von Betreuungspflichten würden Karrieresprünge teilweise verpasst werden.

Mit Splitting gegen Altersarmut

Auch zwei frauenpolitische EU-Richtlinien müssen umgesetzt werden. Bei jener, die für mehr Frauen an der Spitze börsennotierter Unternehmen sorgen soll ("Women on Boards") und die Ende dieses Jahres verwirklicht werden muss, warte man auf einen Vorschlag aus dem Justizministerium, sagte Raab, dann sei man bereit für Gespräche. Gespräche gebe es bei der Richtlinie zur Lohntransparenz, auf deren Umsetzung etwa die SPÖ zuletzt pochte, zwar auch. Die Ministerin verwies allerdings darauf, dass sie erst 2026 umgesetzt werden müsse.

An der Spitze von Raabs frauenpolitischer Agenda für die heuer endende Legislaturperiode steht weiterhin das im Regierungsprogramm verankerte automatische Pensionssplitting, mit dem sie gegen Altersarmut von Frauen vorgehen will. Die Maßnahme scheiterte bisher am Widerstand der Grünen, die auf ein größeres Paket zur Bekämpfung der Altersarmut von Frauen drängen.

Einen Zugang zur Sozialhilfe für Ukraine-Vertriebene – die Mehrheit von ihnen Frauen – kann sich Raab hingegen nicht vorstellen. Zahlreiche NGOs hatten sich zuletzt für einen solchen ausgesprochen, derzeit befinden sie sich in der hauptsächlich für Asylwerber konzipierten Grundversorgung. Die Bedürfnisse des Alltags seien damit gedeckt, meinte Raab. Nun gelte es, die Ukrainerinnen und Ukrainer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. (APA, red, 7.3.2024)