"Not All Men" ist eine bekannte Reaktion auf Berichte über sexualisierte Gewalt, die fast nur Männer begehen.
IMAGO/Mikolaj Janeczek

Es waren zwei Fälle von massiver sexueller Gewalt, die kürzlich bekannt wurden und Österreich erschütterten. Fälle, in denen jeweils eine größere Gruppe von Burschen beteiligt gewesen sein sollen. Nach dem, was bisher bekannt ist, hat keiner von ihnen "Stopp" gesagt. Im Gegenteil, es haben wohl alle mitgemacht. Ob aktiv oder passiv.

In einem Fall, passiert im Pongau, waren die Mädchen 15 und 16 Jahre alt. Die mutmaßlichen Täter:innen sind erst zwischen 15 und 18 Jahre alt. Sie sollen Videos von der Tat gemacht haben. Es wird gegen acht Burschen und ein Mädchen ermittelt. Vier bis fünf Burschen aus der Gruppe sollen unmittelbar sexualisierte Gewalt an den Mädchen verübt haben, beide Mädchen sollen stark alkoholisiert gewesen sein.

Ein anderer Fall, der vor einigen Wochen bekannt wurde, zog sich über viele Monate. Es wird gegen 14 Burschen ermittelt. Auch sie sollen die sexualisierte Gewalt gefilmt haben, die sie einem zwölfjährigen Mädchen angetan haben sollen – mit den Videos sollen sie das Kind erpresst haben. Aus Scham soll sie monatelang geschwiegen haben. Wie so oft bei sexualisierter Gewalt.

Das macht wütend und fassungslos. Wie kann es sein, dass so etwas im Jahr 2024 noch passiert? Mehrmals?

Abwehrreaktionen

Eltern kommt wohl unmittelbar in den Sinn: Wie kann ich meine Tochter schützen? Das ist nachvollziehbar und natürlich auch ein richtiger Reflex. Aber es wäre ein ebenso wichtiger Reflex, dass sich Eltern eines Sohnes oder mehrere Söhne fragen: Was kann ich tun, damit mein Sohn nicht im Geringsten auf die Idee kommt, einem Mädchen sexuelle Gewalt anzutun? Dass er einschreitet, wenn seine Freunde übergriffig werden, statt zuzuschauen. Dass er Hilfe holt, mit seinen Eltern darüber spricht, was seine Freunde da tun. Dass klar ist, dass Mädchen, die sich nicht mehr rühren können, für sie keine "Chance" sind, Machtgelüste auszuleben.

Es braucht endlich einen starken Fokus auf Burschen und Männer, die oft noch immer ein schändliches Vorbild im Umgang mit Frauen sind. Einen Fokus darauf, dass Burschen nicht zu Tätern werden – und nicht nur darauf, dass Mädchen nicht zu Opfern werden.

Doch viele Männer reagieren auf das Problem männlicher Gewalt noch immer oft mit Abwehr. Dann heißt es: "nicht alle Männer!", oder dass es sich vor allem um ein "importiertes Problem" handle. Das Problem einfach "auslagern" zu wollen, auch das ist ein Abwehrmechanismus à la "aber 'wir' nicht!". Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, und es ist ein Männerproblem – und Männer sind es, die sich stärker engagieren sollten und bei männlichen Jugendlichen damit wohl erfolgreicher wären.

Einsatz der Männer 

Es ist dem zivilgesellschaftlichen Engagement von Frauen zu verdanken, dass es heute viele Einrichtung für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen gibt. Ebenso, dass die Bedingungen für die stetige Gewalt an Frauen offengelegt und skandalisiert werden. Nun müssen sich endlich mehr Männer für Gewaltschutz einsetzen, der bei neuen Rollenbildern für Burschen beginnt.

Das muss im privaten und im institutionalisierten Bereich passieren. An Schulen dürfen Schüler um Themen wie Konsens und Fakten über sexualisierte Gewalt nicht mehr herumkommen. Die Zahl jener Burschen, die nicht mitmachen, die sich einsetzen und helfen, wenn eine Situation gefährlich wird – die muss sich vervielfachen. Dann sind die Täter in der Minderheit – und die Scham nach einer Tat ist womöglich endlich auf ihrer und nicht mehr auf der Seite der Opfer. (Beate Hausbichler, 13.3.2024)