Mama geht tanzen im Wiener Praterdome
Redakteurin und zweifache Mutter Nadja Kupsa im Wiener Praterdome. Von 20 bis 23 Uhr feiern hier nur Mütter und Frauen. Männer dürfen höchstens als Begleitperson hinein.
Privat/Cecilia Capri

Bling, das Handy piepst. "Alter, was war das gestern?", schreibt Cecilia. Es ist Samstag, 7 Uhr morgens. Ich antworte ihr: "Ich weiß es nicht. Aber es war extrem geil!" Dann schickt sie mir Fotos und Videos auf Whatsapp. Fotos von uns in neonfarbenen Leggins, beide einen Wodka Red Bull in der Hand. Videos, in denen wir "I got a hangover" in die Kamera grölen. Es fühlt sich an, als wäre ich auf einem mehrtägigen Festival gewesen. Dabei war ich nur drei Stunden unterwegs. Und noch vor Mitternacht daheim. Was war passiert?

Um 23 Uhr ist Schluss

Cecilia und ich kennen einander seit elf Jahren. In einem Wiener Club getroffen, seither unzertrennlich. In den ersten Jahren unserer Freundschaft waren wir sehr viel feiern. Diskotheken, Hauspartys, Festivals, wir haben nichts ausgelassen. Mittlerweile haben wir beide Kinder. Bis in die frühen Morgenstunden ausgehen? Schwierig. Kleinkinder haben kein Erbarmen mit müden Eltern. Zumindest meine nicht.

Sicher, wir würden gerne öfter tanzen gehen. Das Problem ist: Die meisten Clubs sind bis Mitternacht leer. Oft bildet sich erst um zwei Uhr morgens vor den Türen eine Schlange. Nicht gerade familienfreundlich. Das dachten sich auch Anna Schumacher und Andrea Rücker. Die beiden Deutschen mieteten einen Club für sich und ihre Freundinnen. Das Motto: "Mama geht tanzen" – zu familienfreundlichen Zeiten. Um 20 Uhr ging es los, um 23 Uhr war Schluss. Womit sie nicht rechneten: Viele Frauen haben genau auf diese Party gewartet. Schnell fanden weitere Events in deutschen Großstädten statt, allesamt ein großer Erfolg. Mittlerweile gibt es für "Mama geht tanzen" ein eigenes Franchise-System. Die Partyreihe ist letztes Jahr auch in Österreich angekommen. In Wien, Baden und St. Pölten organisiert Lucia Krenn die Partys.

Feiern ohne Männer

Die Werbung dafür wird mir auf Instagram in den Feed gespült. "Mama geht tanzen", natürlich klicke ich drauf. Ein paar Tage später stehe ich mit Cecilia und 2000 anderen Frauen in einer Schlange vor dem Praterdome an, der größten Diskothek des Landes. Es ist kurz vor 20 Uhr. Uns ist kalt, und wir sind kritisch: Wird die Stimmung gut? Brauchen Mütter wirklich eine eigene Party? Feiern auf Knopfdruck, geht das? Unsere Zweifel verfliegen, noch ehe wir die Eingangstür zum Praterdome passieren. Viele haben Prosecco und Dosenbier mitgebracht. Es wird wild durcheinander getratscht, überall hört man Frauen laut lachen. Vorübergehende Passanten bleiben stehen und schauen neugierig. Und da spüre ich es zum ersten Mal. Dieses Wir-Gefühl. Ein gutes Gefühl.

Viele sind in Freundinnengruppen gekommen. Junge Mamas, die sich aus der Babyspielgruppe kennen. Mütter, die über die Kindergarten-Whatsapp-Gruppe von der Party erfahren haben. Ich entdecke aber auch einige Frauen über 60. Sie sehen nicht aus wie Mamas, die kleine Kinder zu Hause haben. Später erfahre ich von der Veranstalterin, dass etwa 25 bis 30 Prozent der Frauen keine Mütter sind. Sie sind heute nicht hier, weil sie einen Abend ohne Kinder genießen wollen. Sie sind hier, weil sie endlich mal wieder in einen Club gehen wollen. Zu einer vernünftigen Uhrzeit. Weil sie ohne Männer feiern wollen, ohne ständig angetanzt und angemacht zu werden. Ohne ihr Trinkglas im Auge behalten zu müssen.

Den ersten Mann, den ich heute sehe, ist der Türsteher. Auch er sieht glücklich aus. "Frauen machen keine Probleme", sagt er. Sein Securitykollege nickt zustimmend. Und dann sind wir drinnen. Mitten im rappelvollen Club. Ausverkauft, Abendkasse gibt es heute nicht. Zur Primetime um 20.15 Uhr nimmt Djane Riva Elegance das Mikro in die Hand. "Tausend Frauen sind jetzt schon im Club, tausend stehen draußen noch an", sagt sie. "Es wird also kuschelig heute." Dann ertönt Techno aus den Boxen. Die Frauen reißen die Hände in die Luft und jubeln.

Lucia Krenn, Mama geht tanzen, Wien
Lucia Krenn war 2023 in Deutschland auf einer "Mama geht tanzen"-Party. Sie hat die Partyreihe nun nach Wien, Baden und St. Pölten geholt. Ihren Job als Buchhalterin hat sie dafür an den Nagel gehängt.
Mamagehttanzen

Trinken unter Zeitdruck

Cecilia und ich schauen uns ungläubig an. Wir haben den Laden gerade erst betreten, doch es wirkt, als wäre die Stimmung schon jetzt auf dem Höhepunkt. Nur an der Bar entdecken wir ein paar traurige Gesichter. Obwohl alle Bars an diesem Abend geöffnet sind und die Kellner sich bemühen, kommen sie kaum mit den Bestellungen hinterher. Zu allen Seiten werden Bacardi-Flaschen und Shots über den Tresen gereicht. Man merkt: Die Zeit läuft. In genau zweieinhalb Stunden ist die Party wieder vorbei. Ja, es fühlt sich an wie Zeitdruck. Aber nicht negativ. Es macht Spaß. Wir lassen uns anstecken, leeren unseren Aperol Spritz direkt an der Bar und bestellen einen Wodka Red Bull und zwei Erdbeershots hinterher.

"All die Mamis feiern zu sehen, die im Alltag Kinder, Job, Haushalt schupfen. Das ist besonders." - Nadja Kupsa, STANDARD-Redakteurin

Die Djane spielt keinen Techno mehr, sie legt einen 90er-Hit nach dem anderen auf. "I’m comin’ up so you better get this party started", schreien die Frauen im Chor. Keine steht einfach herum. Alle tanzen. Wir bleiben bei einer Runde Niederösterreicherinnen hängen. Wir trällern Christina Aguilera und Beyoncé, schütten uns gegenseitig Bacardi aus der Flasche in den Mund, umarmen uns. Ein bisschen fühlt es sich an wie auf einem Konzert. Da ist wieder dieses Gefühl eines Kollektivs. Vielleicht liegt es an den Shots, aber es rührt mich, was ich hier gemeinsam mit Cecilia erlebe. All die Mamis feiern zu sehen, die im Alltag Kinder, Job, Haushalt schupfen. Das ist besonders.

Und dann entdecke ich inmitten von 2000 Frauen doch noch einen Mann. Was macht der da? Ehe er antworten kann, schreitet seine Frau ein. Sie hat ihn mitgenommen, weil sie nicht wusste, dass hier wirklich nur Frauen sind. Sie dachte, es wäre eine nette Date-Night. Jedenfalls ist er jetzt da. Total okay, wie Veranstalterin Lucia Krenn erklärt. Denn bei "Mama geht tanzen" sind grundsätzlich auch Papas oder Männer zugelassen. Allerdings nicht in Gruppen und nur in Begleitung einer Frau. Im Verlauf des Abends zähle ich insgesamt fünf Männer. Und sie alle haben den gleichen eingeschüchterten Blick. Meine Einschätzung ist: Die kommen nicht wieder.

Stau auf der Männertoilette

Heute können sie nicht mal in Ruhe pinkeln. Denn selbst die Männertoilette wurde von den Frauen okkupiert. Die Schlange ist bei den Männern sogar länger als bei den Damen. Wie eine Volksschullehrerin und zweifache Mama auf der Terrasse sagt: "Der Club gehört heute uns Frauen!"

Eine Clubnacht ohne Männer. Ist es das, worauf Frauen schon die ganze Zeit gewartet haben?
Claudia Wasner Fotografie

Pünktlich um 23 Uhr spielt die Djane den letzten Song. Angels von Robbie Williams ertönt, wir alle schwenken die Arme in der Luft langsam hin und her. Der Abend ist zu Ende. Cecilia schaut mich an und sagt: "Wow, wir sind zurück." Im Partyleben – und nach drei Stunden wieder im Elterndasein. (Nadja Kupsa, 23.3.2024)