Lange schien Apple unangreifbar: Während sich andere Größen der Tech-Branche seit Jahren mit Wettbewerbsklagen herumschlagen müssen, gab das im kalifornischen Cupertino angesiedelte Unternehmen gern die Rolle des "Guten". Die einer Firma, die im Gegenteil zu Datensammlern wie Google und Meta ganz auf die Interessen der eigenen Nutzerinnen und Nutzer und dabei vor allem auf die Themen Sicherheit und Privatsphäre schaut.

Eine große Klage

Doch mit dieser Ruhe ist es vorbei: Wenige Wochen nachdem die EU Apple im Rahmen des Digital Markets Act (DMA) zu allerlei Änderungen an seinen Diensten gezwungen hat, kommt es für das Unternehmen nun ganz dick. Am Donnerstag hat das US-Justizministerium gemeinsam mit 16 Bundesstaaten offiziell Klage gegen Apple eingereicht. Der Vorwurf: Das Unternehmen habe die mit dem iPhone erzielte Marktmacht unfair ausgenutzt und dadurch dem Wettbewerb und in weiterer Konsequenz den Konsumentinnen und Konsumenten geschadet.

Der kalifornische Generalanwalt Rob Bonta bei der Ankündigung der Klage gegen Apple.
EPA/CAROLINE BREHMAN

Im Zentrum der Kritik steht dabei das, was kritisch gerne als der "goldene Käfig" von Apple bezeichnet wird. Also gezielte Beschränkungen, mit denen das Unternehmen iPhone-User auf der eigenen Plattform hält – und diese Marktmacht gleichzeitig auf andere Bereiche ausdehnt. Konkret geht es dabei primär um fünf Bereiche:

Im Detail

Faktisch sind diese Punkte weitgehend unbestritten. So hat Apple etwa im Rahmen des Digital Markets Act der EU gerade erst das Apple-Pay-Monopol aufgeben müssen, muss nun also alternativen Bezahldiensten den Zugriff auf den NFC-Chip erlauben. Gegen eine solche Öffnung argumentiert Apple gerne mit dem Hinweis auf Sicherheit und Datenschutz, unbestritten ist aber auch etwas anderes: Apple Pay ist ein sehr einträgliches und vor allem derzeit noch stark wachsendes Geschäft für das Unternehmen.

Der iPhone-Hersteller kassiert bei jeder via Apple Pay abgewickelten Transaktion eine Beteiligung von 0,15 Prozent. Klingt nicht viel, in Summe kommt da trotzdem einiges zusammen. Laut aktuellen Schätzungen dürfte Apple auf diesem Weg im Jahr 2023 bereits vier Milliarden US-Dollar eingenommen haben.

Das US-Justizministerium kritisiert zudem, dass Apple sich über seine Wallet zu viel Macht aufbaut und dies für die Ausweitung auf andere Bereiche nutzen könnte. Dabei bringt man die Idee einer Super-App für Shopping, Reisen und Unterhaltung ins Spiel, die Apple entwickeln könnte.

Andere Smartwatches werden behindert

Beim Thema Apple Watch ist die Faktenlage ähnlich klar: Tatsächlich sind viele für eine Smartwatch essenzielle Funktionen zur Kommunikation mit einem iPhone auf Apples eigene Hardware beschränkt. Das reicht von einzelnen Features wie Schnellantworten auf eingehende Nachrichten bis zu grundlegenden Punkten wie der Bluetooth-Verbindung für die Kommunikation zwischen den Geräten, die nur für die Apple Watch von Haus aus uneingeschränkt ist.

Dass das konkrete Auswirkungen hat, hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls eindeutig gezeigt: Hersteller wie Samsung oder Google bieten angesichts der Benachteiligung und der daraus resultierenden Unmöglichkeit, eine konkurrenzfähige Alternative zur Apple Watch anzubieten, ihre Smartwatches mittlerweile nicht mehr für das iPhone an.

Der iMessage-Faktor

Die Nutzung von iMessage als Lock-in-Vehikel ist wiederum durch im Rahmen des Prozesses gegen Spielehersteller Epic Games öffentlich gewordene, interne Dokumente von Apple wohl dokumentiert. Aus diesen geht hervor, dass Apple iMessage für Android entwickelt hat, sich aber gegen eine Veröffentlichung entschied, da man befürchtete, damit die eigene Marktposition zu schwächen.

Zusätzlich wirft das Justizministerium Apple übrigens auch vor, andere Messenger gezielt zu benachteiligen, da dort die Nutzer oft manuell die Nutzung von Hintergrunddiensten und Kamera in den Systemeinstellungen aktivieren müssen, um eine zu iMessage vergleichbare Funktionalität zu erhalten. Auch dass andere Messenger nicht zum Versand von SMS genutzt werden können, missfällt den Wettbewerbswächtern.

Monopolfragen

Kurz wurde schon der Punkt Marktposition angesprochen, der in einem Monopolverfahren natürlich immer eine entscheidende Rolle spielt. Der Vorwurf mag angesichts dessen, dass iPhones weltweit bei Smartphones "nur" einen Marktanteil von 20 Prozent haben, tatsächlich seltsam klingen. Allerdings sieht es in den USA komplett anders aus: Dort stammen mittlerweile bereits fast zwei Drittel aller verkauften Smartphones von Apple.

Eine Position, die auch zur Folge hat, dass die erwähnten Lock-in-Effekte in den USA wesentlich besser greifen, wie sich am Beispiel iMessage gut zeigt. Während die App in Europa eine unter vielen Messengern ist, hat sie in den USA eine dominante Rolle mit über die Jahre immer wieder wohl dokumentierten, sozialen Auswirkungen.

Da die Kommunikation mit Android-Usern lediglich über das veraltete SMS-Format funktioniert, klappen viele Features, die iMessage sonst beherrscht, nicht. Gerade in Gruppendiskussionen ist das oftmals ein Problem. Dass diese User dann auch noch farblich anders gekennzeichnet werden, hat gerade im schulischen Umfeld immer wieder zu Mobbing geführt. Viele Eltern trauen sich infolgedessen nicht, ihren Kindern Android-Smartphones zu kaufen. Das Ergebnis ist eine Dominanz von 85 Prozent bei von Teenagern genutzten Smartphones durch Apple in den USA.

Cooks schnippische Antwort

Besonders schlecht scheint in dieser Hinsicht ein Auftritt von Apple-Chef Tim Cook vor einigen Monaten angekommen zu sein. Ein Journalist verwies damals auf Probleme in der Kommunikation mit seiner Mutter, die sich durch die Apple-Beschränkungen ergeben. Cook reagierte darauf lachend mit der Empfehlung, dass er seiner Mutter doch ein iPhone kaufen sollte. Das Justizministerium verweist jedenfalls explizit auf diesen Vorfall als Beleg, dass Apple diesen Effekt sehr bewusst einsetzt, um die Konkurrenz auszubooten.

Apple-Chef Tim Cook.
GETTY IMAGES NORTH AMERICA/JUSTI

Trotzdem könnte sich das als einer der schwächeren Punkte in der Klage des US-Justizministeriums erweisen. Hat doch Apple bereits angekündigt, künftig den SMS-Nachfolgestandard RCS unterstützen zu wollen. Das wissen die Kläger natürlich auch, und gehen explizit darauf ein. Kurz gesagt: Man glaubt Apple einfach nicht. Einerseits weil der RCS-Support dann wohl wieder auf iMessage beschränkt wäre, und somit anderen Apps nicht zur Verfügung stünde, aber auch weil Apple bisher lediglich verspricht, eine ältere Version von RCS zu unterstützen.

Privatsphäre und Sicherheit?

Apple entgegnet wiederum, dass man sich Zeit nehmen wolle, um durch den RCS-Support nicht die Sicherheit und Privatsphäre der eigenen User zu unterwandern. Eine gleich in mehrerer Hinsicht eher zweifelhafte Aussage. So handelt es sich bei der Einführung von RCS um keine freie Entscheidung durch Apple, das Unternehmen wird durch eine neue Gesetzgebung in China dazu gezwungen. Dass es China dabei um das Thema Datenschutz geht, darf eher ausgeschlossen werden.

Zudem hat Apple bisher keinerlei Versprechen abgegeben, dass man die für den Datenschutz essenzielle Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Nachrichten, die von Google unter Android mittlerweile geboten wird, unterstützen will oder eine gemeinsame, neue Lösung mit dem Konkurrenten suchen will. Vor allem aber wäre RCS-Support in welcher Form auch immer sicherer als SMS, das jetzt für die plattformübergreifende Kommunikation genutzt wird.

Klarer Widerspruch von Apple

Bei Apple kann man mit den Argumenten des US-Justizministeriums erwartungsgemäß wenig anfangen. In einer Stellungnahme kündigt das Unternehmen an, sich "energisch" gegen die Klage wehren zu wollen, diese bedrohe alles, wofür Apple stünde.

"Wir entwickeln bei Apple Produkte, die nahtlos zusammenarbeiten, die die Privatsphäre und Sicherheit der Menschen schützen und unseren Nutzern ein magisches Erlebnis bieten", schreibt der iPhone-Hersteller. Und weiter: "Sollte die Klage Erfolg haben, würde sie uns daran hindern, die Art von Technologie zu entwickeln, die die Menschen von Apple erwarten – nämlich ein Zusammenspiel von Hardware, Software und Dienstleistungen." Zudem würde damit ein "gefährlicher Präzedenzfall" geschaffen werden, bei dem die Regierung Firmen vorschreiben könne, wie sie Technologie entwickeln zu habe.

Alles nur ein Werbeschmäh?

Das sieht man beim Justizministerium natürlich ganz anders und kann mit nicht minder starken Worten aufwarten: "Apple nutzt die Themen Datenschutz und Sicherheit wie ein elastisches Schild, das sich dehnen oder zusammenziehen kann, um den finanziellen und geschäftlichen Interessen von Apple zu dienen." Während man Milliarden in Werbung investiert, um diesen Eindruck aufrechtzuerhalten, nimmt man es auf der anderen Seite oft nicht so genau mit diesem Thema, wenn es den eigenen Interessen dient.

Konkret verweist die Klage dabei auf den Suchmaschinendeal mit Google, der Apple jedes Jahr irgendwo zwischen 15 und 20 Milliarden Dollar in die Kassen spült, obwohl es privatsphärenfreundlichere Suchmaschinen gebe. Zudem verdiene Apple selbst auch über den Verkauf von individualisierter Werbung, für die Daten von iPhone-Usern genutzt werden.

Ein Ausblick

Derzeit ist bei all dem eigentlich nur eines klar: Bis das nun angestoßene Verfahren ausjudiziert ist, werden noch einige Jahre vergehen, der Ausgang scheint ebenso unklar. Das ändert aber nichts daran, dass sich darin auch die neue Realität für Apple zeigt: Der Gegenwind wird auch für den iPhone-Hersteller deutlich härter – und das sogar im eigenen Heimatland.

Selbst wenn man das Verfahren in den USA gewinnen sollte, so laufen doch derzeit sehr ähnliche Untersuchungen in anderen Ländern. In der EU wurden Apple Teile der jetzt in der US-Klage angesprochenen Punkte ohnehin bereits untersagt. Viele der angesprochenen Punkte – allen voran die Apple-Pay-Exklusivität oder der iMessage-Lock-in – scheinen so auch global auf Sicht nicht haltbar zu sein. (Andreas Proschofsky, 22.3.2024)