Simmel. Das war ein Vierteljahrhundert lang das Synonym für Unterhaltung. Gab es im deutschsprachigen Raum zwischen 1960 und 1990 auch nur einen Haushalt, in dessen Bücherbestand kein Buch von Johannes Mario Simmel stand?

Keines seiner Bücher, die alle auf den ersten Blick erkennbar waren, weil der Droemer-Verlag seit Mitte der 1960er-Jahre stets dasselbe geniale Muster beibehielt, große bunte Kalligrafie und üppig in Pathospanier gerollte Titel wie Mit den Clowns kamen die Tränen oder Und Jimmy ging zum Regenbogen. Der Titel von Simmels bekanntestem Buch, Es muss nicht immer Kaviar sein, wurde sogar zum geflügelten Wort.

Ruhm und Leben

Als der Spiegel im März 1996 eine Erhebung abdruckte, in der nach den bekanntesten, den beliebtesten und den unbeliebtesten Autoren gefragt wurde, war Simmel in allen drei Kategorien vertreten. Bekannteste Autoren: Platz eins Günter Grass, Platz zwei Simmel, Platz drei Heinz G. Konsalik. Beliebteste Autoren: Auf eins Grass, Simmel war der zweite, Elke Heidenreich Dritte. Und bei den unbeliebtesten Autoren fand sich eine Schüttelvariante: Konsalik war Sieger, Simmel landete auf Platz zwei, Grass auf drei, Utta Danella auf vier, Elke Heidenreich auf fünf, und mit etwas Abstand wurde Peter Handke Sechster.

Heute jemanden unter 40 nach Simmel zu fragen stößt weitgehend auf basses Unverständnis. Auf Verständnis stieß die nahe Bad Ragaz in der Schweiz lebende Werberin Claudia Graf-Grossmann mit dem Vorschlag, das Leben des am 1. Jänner 2009 verstorbenen Bestsellerautors aufzuschreiben. Denn, Überraschung, es gab bisher keine Biografie des gebürtigen Wieners!

Cover Sammel-Biografie
Claudia Graf-Grossmann, "Johannes Mario Simmel. ,Mich wundert, dass ich so fröhlich bin‘. Die Biografie". € 29,50 / 336 Seiten. Droemer- Verlag, 2024
Droemer

Dass Simmels Nachlass sich heute in Boston befindet und bis zum Jahr 2079 gesperrt ist, erschwert jede biografische Studie per se erheblich. Zudem ist es stets heikel, wenn ein Verlag seinem umsatzträchtigsten Hausautor eine Lebensbeschreibung gönnt. So ist auch hier das Problem das einer sanft retuschierenden Hagiografie, was am wenigsten in der Frühzeit ausgeprägt ist, in Simmels Kindheits- und Jugendjahren.

Sein Vater war Kaufmann, zum Luthertum konvertierter Jude und Sozialdemokrat. 1938 floh er nach Großbritannien, arbeitete für die BBC, vielleicht auch für den Geheimdienst, und starb Anfang 1945. Da hatte seine Frau, ihren Sohn Johannes und dessen jüngere Schwester Eva, von den Nazis als "Mischlinge" eingestuft, mit enormen Komplikationen und aufreibenden Anstrengungen in Wien durch die Nazi-Jahre gebracht.

Agent und Gourmetkoch

Fließend Englisch sprechend, wurde Simmel, in eine Widerstandsgruppe involviert, im letzten Kriegswinter abgetaucht, wurde er im Sommer 1945 Dolmetscher für General Clark, den höchsten US-Militär in Österreich, wechselte in den Journalismus, ging nach München, wurde Starreporter der Illustrierten Quick, schrieb einige Bücher, dann Ende der 1950er-Jahre die Abenteuer-Epopöe um den Agenten und Gourmetkoch Thomas Lieven. Es muss nicht immer Kaviar sein wurde zum Bestseller. Im Turnus von zwei bis vier Jahren folgte ein Blockbuster dem anderen. Es gab Scheidung, Umzug nach Monaco, zweite Heirat, Luxusleben, Scheidung, Versöhnung mit der ersten Frau, deren Tod. Und immer weitere Scharteken, die zeitgeistgenau Tendenzen aufgriffen, die famos mit Erotik und ganz, ganz kurzen Sätzen aufgequirlt wurden.

Moral und Erzählen

Von all dem erzählt Graf-Grossmann eingängig und durchaus empathisch, auch von seinen letzten Jahren in Zug, seiner Einsamkeit wie von seinen Freundschaften mit Marlene Dietrich und Iris Berben. Hingegen erfährt man nichts von seiner Arbeitstechnik, sehr wenig von Autor-Verlags-Beziehungen.

Deutlich wird ab den 1980er-Jahren Simmels intellektuell-moralische Redlichkeit, sein starkes Engagement wider Antisemitismus und Rassismus. Zugleich wollte er eines sein, und darauf schrieb er verzweifelt hin: Geschichtenerzähler.

Heute Simmel zu lesen ist, obschon Graf-Grossmann oft das Gegenteil behauptet und einen Lesetest mit zwei Frauen Mitte 20 durchführte, kaum mehr zu goutieren. Da braucht es, nicht nur weil die Romane adipös sind, in Österreich eine Jahresproduktion Wein aus dem Kamptal, in der Schweiz ein Leseplätzchen bei einem Absinth-Brauer im Val de Travers, in Deutschland den hierfür endlich erlaubten eignen Cannabisvorrat.

Wird diese Biografie Simmel-Verächter vom Gegenteil und von seinem Œuvre überzeugen? Wohl kaum. Johannes Mario Simmel gehört in die Riege einst beliebter, vielgelesener Autoren wie Jakob Wassermann, Edgar Wallace, Arthur Upfield oder Ian Fleming, zu deren Büchern die Patina der Zeit zu Recht harsch war. (Alexander Kluy, 1.4.2024)