Franziska Füchsl im Park
Ist mit dem Rucksack im Park unterwegs, wo sie Tauben beobachtet und ins Narrenkastl starrt: Autorin Franziska Füchsl.
Daniel B. Friedman

Es beginnt mit einem Wurf. Franziska Füchsl grüßt mit weißem Kübel in der Hand. Sie nutzt den Beginn unserer Begegnung, um den Biomüll zu entsorgen. Die Schriftstellerin wirkt routiniert im Umgang mit Containern, wie eine behutsame Wegwerferin, die um städtische Regeln weiß, aber auch gern im Müll stochert.

Wir treffen uns bei der Müllinsel im Leon-Askin-Park und übersetzen später in den Richard-Wagner-Park an der Thaliastraße. Die Parks liegen geografisch in nächster Nähe, die politische Spannweite ihrer Namensgeber ist groß.

Der Komponist Richard Wagner (*1813) polemisierte bereits in frühen Schriften gegen das Schaffen jüdischer Künstler und Künstlerinnen. Das NS-Regime instrumentalisierte das Werk des Antisemiten zu seinen Zwecken.

Leon Askin (*1907), Schauspieler und Regisseur, leitete das literarisch-politische Kabarett ABC in Wien. 1940 musste er wegen seiner jüdischen Herkunft in die USA flüchten, wo er weiterhin inszenierte und spielte. Er gilt als wichtiger Zeitzeuge des Nationalsozialismus.

Franziska Füchsl mit Eimer
Die Schriftstellerin grüßt mit weißem Kübel in der Hand.
Daniel B. Friedman

Zwiegespräch mit den Tauben

Die Hinweistafel im Leon-Askin-Park verschweigt da viel, erzählt aber von bunten "Parkfunnies als Sitz- und Spielelemente" und dem unterirdisch fließenden Ottakringer Bach, auf den blaue Rampen hinweisen sollen. Noch sind wir im Beschauungsmodus, und Franziska Füchsl, die unter anderem Sprache und Gestalt in Kiel studiert hat, erkundet Grünflächen, hält Zwiegespräch mit den Tauben und dem Ottakringerbachrauschen.

Bisher hat sie in rätsel in großer schrift (edition mosaik), Tagwan und Die Straßen sind sichtbar (Ritter-Verlag) das Beobachten geübt und auch mein Ankommen vom Fenster aus mitverfolgt, "dich schon gesehen", wie sie sagt.

Mit ihrem bunten Wanderrucksack könnte sie problemlos zu einem Verkehrsschild verkommen, das zum Herumlungern einlädt. Sie hat Signalwirkung auf Straße und Bühne, wird in Artikeln "eigenwillig" genannt, vielleicht, weil sie sich bei Lesungen nicht dem ruhenden Autor*innenkörper hingibt? Sie liest mit Lupe, dann wieder mit Fernglas ins Publikum, immer mit langem Blick, schäkernd mit Verwandlung. Sie tarnt die Freude am Spechtln und Starren nicht, wie man es als Nachbar*in vielleicht auch gern macht (nur eben heimlich, damit man beim Genießen nicht erwischt wird).

Ob denn das Schreiben ein Fensterblick, ein närrischer, erhobener sein muss?

Die Frage sei eher, so Füchsl, ob man nicht auch "in der Hocke oder zusammengekauert überragend blicken" könne. Zu überragen nütze nichts, wenn man umgeben sei von Wänden und Mauern. Das Durchdringen, das gehe nur durchs Narrenkastl, durchs Starren. Das werde dann spekulativ. Wir begutachten gemeinsam Tauben, wie sie uns Menschen der Stadt zur Projektionsfläche werden; wovor sich die Vögel eigentlich erschrecken, wenn sie gemeinschaftlich hochflattern.

Kurz ins Narrenkastl eingekehrt.

Ottakringer Bach.

Die Schriftstellerin findet ein Puzzlestück am Boden. Sie wirkt so, als könnte sie Wienteile, ganze Straßen auflesen und in ihrem bunten Rucksack verdichten. Was da drin lebt und sich formt, welche Worte sich nah kommen, zwielichtig werden, ob es Kurzprosa ist oder Lyrik, das ist nicht sicher in dieser Rucksackdichtung. Ihr Rucksack ist Ort für Spekulation.

In Die Straßen sind sichtbar lässt die Autorin Dichterinnen als Superlative auftreten.

"Dicht, Dichter, Dichterinnen" sei ein Ausbruch aus dem Reglement, vielleicht "ein Wunschdenken", so Franziska mit Puzzlestück, "Wunsch immer in der mittelhochdeutschen Bedeutung: Vermögen, etwas Außerordentliches zu tun."

Ein Superlativ könne auch "eine Behauptung voll mit Wünschen, Sehnsüchten, Todsünden sein. Insofern: The stuff that books are made of." Superlative seien Geschöpfe der Fantasie. Grotesken, Hybride, Dodln.

Franziska Füchsl im Park
Franziska Füchsl beim Zwiegespräch mit den Tauben.
Daniel B. Friedman

Wir münden im Richard-Wagner-Park, wo sich Franziska zum Lockern in einige Fitnessgeräte einfügt: Eigentlich noch gut in Schuss, alles okay, Crosstrainer, Brustpresse und Lastzug, sie wirkt hier sehr umgänglich. Und auch irgendwie wachsam beim Klimmzugversuch. Dass nichts passiert. Oder vielleicht schon?

Würdest du sagen, du bist ein Narr?

"Selten, weil es so schwer möglich ist. Im Schreiben geht das leichter. Aber Moment. Der Narr kommt in der Hierarchie sofort nach dem König", verpflichte sich also im Interesse seines Überlebens dem Haus. Eine Entfernung zum Haus sei auch ein Schutzschild, und das "wäre dann der Schelm, der sich entwinden kann".

Die Schriftstellerin springt auf den Rindenmulch und beendet ihr Sportprogramm.

Wir übersiedeln ins angrenzende Buschwerk, einen sogenannten Angstraum, wie die Furcht vor dem Uneinsehbaren, dem Lauern stadtsoziologisch genannt wird.

Franziska erzählt mir, dass sie dieses Wort "falsch" verstanden habe, im Sinne eines Panicrooms, der Schutz bietet, für Menschen, für Tiere als essenzielles Dickicht.

Freude über das Falschverstehen

Wir hocken an die vierzig Minuten im Busch, mit Recording-Gerät und Tauben. Ich freue mich über das Falschverstehen, dass mit Franziska kein Wort sicher ist. Dass wir kein einfaches Bild auf einer Parkbank erzeugen. Wir könnten eine Affäre beginnen, ein Interview, ein Schläfchen. Unser Fotograf hat sich in die Sonne gesetzt.

Warum gibt es so selten kauzige, seltsame Frauen in der Literatur? Vielleicht weil sie immer noch ins Bild passen müssen, von Mode- und Kosmetikindustrie anvisiert, selbst im Versteck eines Buschs.

"Der Kapitalismus macht auch vor der Queerbewegung nicht halt", führt Franziska weiter aus: "Das Queere wäre eigentlich ein Spiel mit Erscheinungsformen eher denn Ausdruck und Konsumverhalten einer Identitätssuche." Ersteres sei "ein lustvolles Mittel zur Gesellschaftskritik und gegen die Autorität des Natürlichen." Den Queers fehlen quasi die Schelme.

Franziska Füchsl, "Die Straßen sind sichtbar. Erzählungen". € 24,– / 272 Seiten. Ritter-Verlag, Klagenfurt 2023
Ritter Literatur

Wir richten unsere Gliedmaßen zurecht, das Hockdenken macht ungelenk, unsere Tauben fliegen auf.

Lese man zum Beispiel Kafka, bekomme man das Gefühl, er habe das Schelmische derart ins Körperliche und Situative hineingearbeitet; "das ist wie in einer unbedarften Gangsituation mit Nachbar*innen, dass das Schelmische in seinem ganzen zwischenmenschlichen Glanz entstehen kann. Und dann auch wieder vorbei ist."

Ein Schelm kann also nie Standard sein? Es gibt den Schelm gar nicht?

Das sei gut, sich das so vorzustellen. Sonst werde er schnell zum Übermenschen, und man könne ihm unterstellen, er sei nicht leidensfähig: "Das macht ihn zu einer Funktionsfigur, das passt nicht. Ah, die Tauben kommen wieder. Zwei, jetzt sind es zwei. Guuut." Motorröhren. Gurren. Franziska, die einen Langessay Denkt 1 Dodltopftropf über Einfalt geschrieben hat, sieht froh aus. Ich lege ihr eine letzte Frage hin: Gibt's den Schelm bei dir auf der Bühne?

Die Schriftstellerin schaut links an mir vorbei, narrenkastlt, probt: "Ich gäbe gerne für Menschen so eine lachhafte Dodlgestalt ab. Eine komische Zielscheibe für Lachen, das ächtet oder entdeckt."

Wenn man unter Humor verstehe, andere zum Lachen zu bringen, klinge das wie eine Dienstleistung. Humor habe eher etwas mit Entwaffnen zu tun? Franziska spricht in ihre Thermoskanne.

"So eine groteske Erscheinung", wie wir sie selbst sind, vom Leben, einem Buschhocken und weniger von Moden gezeichnet, könne ein "genuines, frischgeborenes Lachen hervorrufen. Dieses Lachen interessiert mich, weil es sich nicht richtig erklären lässt, mir aber wie ein Heureka-Moment im eigensinnigen Denken vorkommt."

Der Rucksack brummt, und wir müssen unser Buschgespräch aufgrund von eingeschlafenen Beinen abbrechen. Vorbei ist es nicht, aber wir müssen. Die Schriftstellerin verabschiedet sich von den Tauben. Das waren unsere nächsten Nachbarinnen, jetzt stehen wir wieder und gehen den Fotografen rütteln. (Helene Proißl, 7.4.2024)