Stellar Blade
Die Protagonistin Eve muss sich in "Stellar Blade" den Gefahren einer postapokalyptischen Welt stellen – eine Drohne weicht ihr dabei kaum von der Seite.
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Wenn ein asiatisches Model in spärlichem Catsuit und High Heels Ruinen erkundet, um die verbliebene Zivilisation vor Monstern zu retten, wie nennt man das? Gut, der Titel hat's schon verraten: Stellar Blade. Auf den ersten Blick ist es schon recht ungewöhnlich, was der koreanische Entwickler Shift Up dieser Tage als Exklusiv-Titel für die Playstation 5 auftischt. Neben der freizügigen Aufmachung der Protagonistin, die sicherlich für Gesprächsstoff sorgen wird, hat die knallharte Sci-Fi-Action bei genauerer Betrachtung aber mehr Substanz, als es auf den ersten Blick scheint. Der STANDARD hat Stellar Blade angespielt.

Klare Vorbilder

Ursprünglich wurde das Konzept zu Stellar Blade im Jahr 2019 unter dem Arbeitstitel "Project Eve" enthüllt und mehrmals über den Haufen geworfen, bevor man es als Exklusivtitel für die Playstation 5 auf Schiene brachte. Stilistisch wurde die Entwicklung stark von Square Enix' 2017 erschienenem Titel NieR: Automata beeinflusst – eine Verbindung, die der Director von Stellar Blade, Kim Hyung Tae, offen zugibt.

Stellar Blade - Gameplay Overview
PlayStation

Generell offenbart das Spiel aber einen wilden Mix aus unterschiedlichen Inspirationen, die einem als weitgereistem Spieler in der Vergangenheit schon untergekommen sind. So dürfte bei der Entstehung bis zu einem gewissen Grad auch sicherlich Bayonetta von Platinum Games Pate gestanden sein – aber auch sonst glitzern an allen Ecken und Enden Elemente auf, die man schon einmal gesehen hat. Nicht unangenehm: Mit technischem Feinschliff von Sony, der einem Exklusivtitel zuteil wird, ergibt sich daraus ein maßgeschneidertes Erlebnis, das rund 25 bis 30 Stunden bei Laune halten dürfte.

Starke Defensive

In Stellar Blade übernehmen Spielerinnen und Spieler die Kontrolle über Eve, eine Kriegerin im Anime-Stil, die buchstäblich auf Zehenspitzen durch eine postapokalyptische Welt tänzelt: Das Artdesign hat es so vorgesehen, dass sie nicht nur knappe Outfits, sondern auch eine Art High Heels trägt – und im Alter von 50 dann wohl auch ein schwerer Fall für den Orthopäden wäre. Wie auch immer: Der Kern des Gameplays besteht aus Schwertkämpfen mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Verteidigung. Den Reiz dabei macht das richtige Timing aus: Man muss die Kunst des Parierens und Ausweichens beherrschen, um effektive Konter und Spezialangriffe, die im Spiel Retribution genannt werden, ausführen zu können.

Stellar Blade
Angriff ist die beste Verteidigung – oder so ähnlich.
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Die umfangreiche Verteidigungsmechanik von Eve ist solid und geht gut von der Hand, einschließlich fortgeschrittener Ausweichtechniken wie Blink und Repulse, die jeweils auf die Abwehr bestimmter gegnerischer Angriffe zugeschnitten sind. Der Fokus auf die Verteidigung überschattet jedoch nicht die offensiven Fähigkeiten der Spielerin. Feinde können nicht nur mit einer Kombination aus leichten und schweren Angriffen vermöbelt werden – sie werden durch sogenannte Beta-Skills ergänzt. Dabei handelt es sich um Spezial-Angriffe, die bei perfektem Timing auch gegnerische Aktionen unterbrechen können.

Shooter inklusive

Im weiteren Spielverlauf wird das Kampfsystem durch die begleitende Drohne um eine strategische Ebene erweitert. Auf Knopfdruck schmiegt sie sich Eves Arm an und wird zur Feuerwaffe. Der Übergang vom Nah- zum Fernkampf ist fließend, wobei sich die Kamera über die Schulter bewegt, um die Schießmechanik zu unterstützen, was an traditionelle Third-Person-Shooter erinnert.

Dieses hybride Kampfsystem sorgt dafür, dass der Spieler immer in Bewegung bleibt und seine Vorgehensweise ständig an die unmittelbare Bedrohung und die verfügbaren Ressourcen anpassen muss. Es gibt auch Passagen im Spiel, in denen Eves Schwert deaktiviert wird und sich nur mit Schusswaffe verteidigen kann.

Soulslike-Parallelen

Stellar Blade weist auch zahlreiche Parallelen zu Soulslikes auf, dazu zählen zunächst herausfordernde Gegner im Allgemeinen und Bosse im Besonderen. Auch die strategisch platzierten Checkpoint-Systeme im Mix aus offener Spielwelt und linearen Levelabschnitten ähneln den Lagerfeuern aus Dark Souls. Mit dem Unterschied, dass es statt des Lagerfeuers stilecht eben Plastikklappsessel und Snackautomaten zur Regeneration gibt.

Wer mit der masochistischen Natur von Soulslikes nichts anfangen kann, sei beruhigt: Stellar Blade unterscheidet sich von klassischen Vertretern durch einen nachsichtigen Schwierigkeitsgrad in einem Story-Modus und Spieloptionen, die im Kampf weniger erfahrenen Spielern helfen. Stirbt man im Spiel, gibt es später außerdem Items einzusetzen, mit denen man sofort weiterspielen kann. Ansonsten werden Gegner zwar respawnt, und Eve kehrt zum zuletzt besuchten Kontrollpunkt zurück. Die Erfahrungspunkte werden aber nicht zurückgesetzt oder müssen nach dem Tod zurückgeholt werden, wie man es von solchen Spielen oft gewohnt ist.

Stellar Blade
Rund um den Hub – die Stadt Xion – gibt es jede Menge zu erkunden.
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Eine entscheidende Rolle spielt in Stellar Blade auch die Erkundung. Spielerinnen und Spieler werden mit einer Fülle von Nebenquests dazu ermutigt, die Spielwelt rund um die Stadt Xion, die als Hub dient, zu erforschen und ihre Geheimnisse zu lüften. Negativ fällt an dieser Stelle nur auf, dass eine Mini-Map bei der Erkundung nicht geschadet hätte. Die Liebe zum Detail bei den Erkundungselementen an sich ist aber ganz klar erkennbar und verleiht der Spielwelt eine gewisse Tiefe, die man ihr anfangs nicht zugetraut hätte. Darüber hinaus enthält das Spiel immer wieder kleinere Rätsel und Jump-'n'-Run-Elemente, die für Abwechslung sorgen und eine kurze Pause von den intensiven Kampfsequenzen bieten.

Solide Präsentation

Aus grafischer Sicht kann sich Stellar Blade für Konsolen-Verhältnisse wirklich sehen lassen und stellt seine grafischen Fähigkeiten in drei verschiedenen Modi zur Schau, die auf unterschiedliche Vorlieben zugeschnitten sind. Der Performance Mode zielt auf 60 Bilder pro Sekunde bei einer nativen Auflösung von 1440p ab und konzentriert sich auf ein flüssiges Gameplay. So wurde Stellar Blade auch vom Autor angespielt.

Der Balanced Mode bietet einen Kompromiss, indem er ein hochskaliertes 4K-Bild mit 60 fps und so ein Gleichgewicht zwischen visueller Wiedergabetreue und Leistung schafft, das ist übrigens die Einstellung "ab Werk". Der Auflösungsmodus schließlich liefert die höchste visuelle Qualität bei einer nativen 4K-Auflösung, aber mit einer reduzierten Bildrate von 30 Bildern pro Sekunde.

Fazit

Setzt man sich mit Stellar Blade näher auseinander, wird schnell klar, dass das Spiel weitaus mehr zu bieten hat als sein provokantes Äußeres. Das von Shift Up entwickelte Sci-Fi-Abenteuer mag das Rad zwar nicht neu erfinden – es vereint aber einen sehr attraktiven Mix aus Kampf, Erkundung und kleineren Puzzles mit Soulslike-Elementen, ohne dabei zwingend in ein weiteres Ausbildungscamp für Masochisten auszuarten.

Aus technischer Sicht zeigt sich der Vorteil der Exklusivität: Stellar Blade punktet nicht nur mit einer gelungenen Grafik, sondern je nach Vorliebe mit drei Darstellungsmodi, die für sich gesehen allesamt gelungen sind. In Kombination mit einem Soundtrack, bei dem man sich schon mal heimlich beim Mitsummen oder -wippen erwischen kann, entpuppt sich Stellar Blade als echter Geheimtipp, sofern man sich auf das etwas schräge Setting einlässt. (Benjamin Brandtner, 24.4.2024)