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Hildegard Burjan war das soziale "Gewissen des Parlaments". Nachdem ihre Seligsprechung 1963 eingeleitet wurde, ist es am 2012 nun soweit. Dann darf Burjan nach Kirchenrecht öffentlich als Selige verehrt werden.

Foto: APA/CS

Wien - Hildegard Burjan wird am 29. Jänner im Wiener Stephansdom seliggesprochen. Sie war eine der großen Figuren der christlichen Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis und Kämpferin für Frauenrechte ist außerdem weltweit die erste Parlamentarierin, die seliggesprochen wird.

Burjan setzte sich entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für die Bekämpfung der Kinderarbeit und für die Überwindung sozialer Missstände ein. Viele soziale Rechte für Frauen und Kinder, die heute selbstverständlich sind, gehen auf ihre Initiative zurück. Zu ihren wichtigsten politischen Forderungen zählte schon damals "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" für Frauen.

Einsatz gegen Elend arbeitender Frauen

Am 30. Jänner 1883 als Hildegard Freund im sächsischen Görlitz in eine liberale jüdische Familie geboren, studierte Burjan in Zürich Literatur und Philosophie und in Berlin Sozialwissenschaft. Im Jahr 1907 heiratete sie den gebürtigen Ungarn Alexander Burjan. Nach Heilung von einer schweren Krankheit konvertierte sie 1909 zur römisch-katholischen Kirche. Noch im selben Jahr übersiedelte das Ehepaar Burjan nach Wien, wo ihr Mann rasch zu einem führenden Unternehmer aufstieg und sich in der Wiener "High Society" einen Platz verschuf.

Die extremen gesellschaftlichen Gegensätze im Wien der zu Ende gehenden Monarchie waren für Hildegard Burjan schwer auszuhalten. Vor allem das entsetzliche Elend arbeitender Frauen motivierte sie zu ihrem karitativen, sozialen und politischen Engagement. Nicht Almosen wollte sie geben, sondern strukturelle Änderungen herbeiführen. 1912 gründete sie schließlich den "Verband der christlichen Heimarbeiterinnen", 1918 den Verein "Soziale Hilfe".

Erste weibliche Abgeordnete der Christlich-Sozialen

Im selben Jahr wurde sie Mitglied im Gemeinderat von Wien und plädierte von da an auch unermüdlich für das allgemeine Frauenwahlrecht. Ein Jahr später zog sie als erste weibliche Abgeordnete der Christlich-Sozialen in die Nationalversammlung der Ersten Republik ein.

Als begnadete Rhetorikerin nannte sie Unannehmbarkeiten unmissverständlich beim Namen. So verurteilte sie beispielsweise 16-stündige Arbeitstage von Kindern als eine "allem Christentum hohnsprechende Verletzung der Menschlichkeit". Schon bald galt Burjan als "Gewissen des Parlaments". Die christlich-soziale Politikerin genoss hohes Ansehen - weit über ihre Gesinnungsgemeinschaft hinaus. Durch ihr soziales Engagement wollte sie den Klassenkampf zwischen Sozialdemokraten und Christlich-Sozialen entschärfen.

Oberin der Caritas Socialis

Dennoch schied Hildegard Burjan bereits 1920 aus dem Parlament aus und widmete sich einer neuen Aufgabe: der Gründung einer religiösen Schwesterngemeinschaft - der Caritas Socialis -, die sich für die Resozialisierung geschlechtskranker Mädchen und für verwahrloste Kinder einsetzte, Mädchen in Bahnhöfen vor Zuhältern schützte und mit "Ausspeisungsstätten" für Bedürftige den Grundstein für die Einrichtung "Essen auf Rädern" legte. Die Schwesterngemeinschaft "Caritas Socialis" besteht bis heute und leistete in den vergangenen Jahren vor allem auf dem Gebiet der Hospizarbeit bahnbrechende Dienste.

Nazi-Herrschaft musste sie nicht mehr erleben

Die letzten Jahre ihres Lebens waren gekennzeichnet von den Anfängen des Nationalsozialismus. Burjan stellte auch hier ihr scharfes politisches Urteilsvermögen unter Beweis und warnte schon früh vor der menschenverachtenden Politik. Den Sieg der Nationalsozialisten musste Hildegard Burjan nicht mehr miterleben. Sie starb am 10. Juni 1933 im Alter von 50 Jahren an den Komplikationen einer Nierenoperation.

1963 wurde der Seligsprechungsprozess für Hildegard Burjan von Kardinal Franz König eingeleitet.

TV-Specials

Der ORF Wien überträgt in einem Lokal-Ausstieg die Seligsprechung von Burjan am 29. Jänner ab 14.18 Uhr in ORF 2 und ORF III überträgt ab 15.00 Uhr live. Außerdem präsentiert "kreuz und quer" am Dienstag, dem 24. Jänner, um 22.30 Uhr in ORF 2 die Dokumentation "Hildegard Burjan - Ein Leben für die Menschlichkeit" von Anita Lackenberger und Gerhard Mader. (APA/red)