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Bügeln, Putzen, Kochen, kranke und/oder betagte Menschen versorgen, Erziehung und Betreuung von Kindern: Am besten kostenlos und immer mit einem ausgeglichenem Lächeln im Gesicht. In der Care-Ökonomie gibt es viele ungelöste Grundprobleme, die fernab des Spardiktats der EU diskutiert werden müssen.

Foto: APA/Rainer Jensen

Dass sich im Wiener AKH die Hebammen in kollektiver Überlastung befinden und deshalb nicht zur Arbeit erscheinen können, ist nur eine Ausgeburt der politischen Vernachlässigung der Care-Ökonomie und Versorgungsarbeit. Die Betreuung und Erziehung von Kindern, die Pflege von betagten und/oder kranken Menschen und auch das Kochen, Putzen und Bügeln wird nach wie vor als familiäre Angelegenheit und damit als Privatsache taxiert.

Die auf Eigenverantwortung und Selbstregulierung setzende Politik macht es möglich, von grundsätzlichen Fragen der gesellschaftlichen Umgestaltung und Neuorganisierung von Arbeit abzulenken. Die nicht gerecht verteilte, nicht wirklich anerkannte aber gesellschaftlich notwendige Arbeit bleibt als Grundproblem ungelöst. Die Zuständigkeiten für die Versorgungsarbeit und die damit verbundenen Kosten bleiben weitgehend privatisiert und müssen unbezahlt und zusätzlich zur (weiblichen) Lohnarbeit im Rahmen der Kernfamilie verrichtet werden.

Finden der Work-Life-Balance

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde zwar von einigen europäischen Regierungen auf deren Agenden gesetzt, die Auseinandersetzungen bleiben aber oberflächlich. Vorrangig geht es nämlich um die Anpassung an die Arbeitsmarktanforderungen. Die Konzepte der neoliberalen Regierungen und ExpertInnen für das Vereinbarkeitsproblem gleichen eher der Ratschlag-Literatur um die Work-Life-Balance zu finden.

Care-Krise

Eine Re-Privatisierung ehemals öffentlicher Leistungen betrifft das Gesundheitswesen. Wegen des europäischen Spardiktats sind etwa Krankenhäuser immer mehr nach marktwirtschaftlichen Methoden des New Public Management organisiert. So werden zum Beispiel PatientInnen früher nach Hause geschickt; die Politik geht dabei schweigend davon aus, dass die Care-Arbeit von den (meist weiblichen) Angehörigen der Familie übernommen wird. Diese Arbeit bleibt unsichtbar und für die Ökonomie "wertlos".

Die Betreuungslücke in Privathaushalten mit Kleinkindern, der Pflegenotstand bei der Altenpflege oder Personalmangel und Überlastung bei Hebammen und KindergärtnerInnen und die daraus folgende kollektive Betroffenheit von Frauen bezüglich Zeit-, Geldnot und Stress sind Zeichen einer akuten Care-Krise, die von den PolitikerInnen zwar erkannt, aber nicht im erforderlichen Ausmaß debattiert, behandelt und schließlich verändert wird. Höhere Entgelte, die damit verbundene Wertschätzung und Programme zum Ausbau einer öffentlich finanzierten Care-Infrastruktur bleiben aus. Ebenso eine Professionalisierung feminisierter Branchen und den damit verbundenen Aufstiegsmöglichkeiten und Perspektiven für Frauen.

Dereguliert - Prekarisiert - Informell

Wo nicht noch weiter in die Familien delegiert werden kann, erfolgen weitere Privatisierungen. Damit wird Care-Arbeit kommerzialisiert und mehr und mehr zur Ware. Versorgungslücken im Haushalt werden dann mit einer Anstellung einer prekär beschäftigten Hausarbeiterin - meist mit Migrationshintergrund ("weil billiger") - kompensiert. In der ambulanten Pflege wiederum boomen private Agenturen. Daraus entsteht ein weiterer informeller Arbeitssektor, der sich mit dereguliert, prekarisiert, vergeschlechtlicht und ethnisiert beschreiben lässt. Neue Hierarchien zwischen Frauen entlang ethnischer und klassenspezifischer Linien werden dadurch geschaffen und die Ungleichheit der Geschlechter zementiert.

Was sich also in der Care-Arbeit - sowohl der häuslichen als auch außerhäuslichen - abspielt ist nicht einfach eine Privatangelegenheit, sondern im hohen Maß beeinflusst von gesellschaftlichen und institutionellen Bedingungen. Diese Rahmenbedingungen sind absolut gestaltbar und müssen daher endlich Gegenstand politischer Auseinandersetzungen fernab des Sparstiftes werden. Wichtig dabei ist, diesen Sektor nicht als "Frauenproblem" zu verniedlichen, sondern als notwendige gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu fassen. Sollte sich für die dort Arbeitenden weiterhin nichts ändern, dürfen kollektive Überlastungen wie bei den Hebammen und deren Arbeitsausfall auch nicht weiter verwundern. (Sandra Ernst-Kaiser, dieStandard.at 28.9.2010)