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US-Lesbenpaar mit Nachwuchs: Immer mehr Homosexuelle wollen Kinder haben.

Foto: Reuters/KIMBERLY WHITE

Wien - Baby Marjana, vier Monate alt, hat zwei Mütter und einen Vater: Sabine (33) und Antonia (37), ihre Eltern, bei denen sie lebt. Und Thomas (39, alle Namen geändert), ihren leiblichen Vater: den Mann, von dem Sabine schwanger wurde.

Vier Jahre waren Sabine und Antonia ein Paar, da beschlossen sie, eine Familie zu gründen. Doch das ist für lesbische Frauen ein hürdenreicher Plan. Sind keine Kinder aus früheren, heterosexuellen Beziehungen da, bleiben als Ausweg Auslandsadoption, Pflegekindannahme oder eine Samenspende. Letztere anonym, gegen Geld, von einer Samenbank.

Es sei denn, man schafft sich ein selbstorganisiertes Arrangement: mit einem Mann, der akzeptiert, dass sein Kind das Kind zweier Frauen ist und doch auch seines - im Rahmen einer selbstgewählten Patchworkfamilie.

"Wir haben Thomas übers Internet gefunden, zwei Jahre, nachdem wir zu einer lesbisch-schwulen Kinderwunschgruppe gestoßen waren. Er schrieb, er wolle ein aktiver Vater sein. Wir trafen uns, wir hatten ein gutes Bauchgefühl", schildert Sabine. Dass sie schwanger werden sollte, nicht Antonia, hatten beide bereits davor ausgemacht.

In längeren Gesprächen wurden die Modalitäten vereinbart und zu Papier gebracht: Thomas, der selbst schwul ist, sollte als Vater des Kindes in die Geburtsurkunde eingetragen werden. Im Fall des Todes der leiblichen Mutter werde er zugunsten Antonias aufs Sorgerecht verzichten. Dafür werde Sabine keine Alimente verlangen. "Derzeit kommt Thomas einmal pro Woche zu Besuch. Später dann soll Marjana ihn übers Wochenende besuchen", erläutert Antonia.

Nicht rechtsverbindlich

Laut dem Anwalt und Präsidenten der Homosexuellen-NGO Rechtskomitee Lambda, Helmut Graupner, hat ein solches Abkommen keine Rechtsverbindlichkeit: Die Gesetze, die leiblichen Müttern Alimente, leiblichen Vätern Chancen aufs Sorgerecht zusichern, seien stärker. Bessere Absicherung für derlei Familienarrangements würde das Recht auf Stiefkindadoption bringen, das neben jenem auf Fremdkindadoption derzeit die in Österreich zentrale Forderung der Homosexuellenbewegung ist.

Trotzdem werden selbstgewählte Patchworkbeziehungen wie jene Sabines, Antonias und Thomas' um Marijana in Österreich häufiger. Die Generation der 20- bis 40-jährigen Homosexuellen sucht offenbar nach Auswegen aus einer Kinderlosigkeit, die noch vor zehn Jahren für sie vorausgesetzt wurde. In Wien gibt es mehrere Ansprechadressen für sogenannte Regenbogenfamilien, etwa den Verein Familien Andersrum Österreich (FamOs).

Dieser Trend existiere nicht nur in Österreich, sagt Jennifer Kickert, Grünen-Bundesrätin und einst selbst Patchworkmutter der Kinder ihrer Exlebensgefährtin. Regenbogenfamilien gebe es in Europa, den USA und Kanada.

Und auch schwule Paare suchen nach selbstorganisierten Wegen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen: "Aus den USA habe ich von Viererarrangements gehört: ein Schwulen- und ein Lesbenpaar, die gemeinsam Kinder bekommen und aufziehen", sagt Kickert. Die Kinder würden in derlei "neuen Familien" eher profitieren, meint dazu Olaf Kapella, Sozialwissenschafter am Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) unter Berufung auf internationale Studien: "Sie haben mehrere Bezugspersonen, die sich verantwortlich fühlen." (Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe 17./18.12.2011)