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Wohin geht es mit dem Mann von heute?

Foto: APA/Oliver Berg

Wie geht es eigentlich den Männern heute? Ob im Berufsleben, bei der Freizeitgestaltung oder dem Familienleben - in den letzten Jahrzehnten hat es auch für sie tiefgreifende Veränderungen gegeben. Manche davon haben Frauen genützt, zumal sie auch von der Frauenbewegung forciert wurden. Was diese Veränderungen für "den Mann von heute" bedeuten, hat der eben erschienene zweite Österreichische Männerbericht erhoben.

Neue Handschrift

Der erste Männerbericht wurde 2006 von der damaligen Sozialministerin Ursula Haubner präsentiert. Wie Haubner gehörte auch Österreichs erster männlicher Frauenminister Herbert Haupt dem BZÖ an, das in Fachkreisen für geschlechterpolitische Maßnahmen als wenig kompetent eingestuft wurde. Frauenminister Haupt richtete 2001 die Männerpolitische Grundsatzabteilung des Sozialressorts ein, das den ersten wie auch den zweiten Männerbericht in Auftrag gab. Trotzdem unterscheiden sich die Berichte deutlich, sowohl im Ton als auch bei den fokussierten Themen.

Einkommen ausgespart

So war der erste Bericht von einer Grundhaltung geprägt, die Männer zunehmend als Opfer einer frauenfördernden Gesellschaft betrachtete. Unter dem Schlagwort "männliche Entwicklung" war etwa von "möglichen Auswirkungen eines weiblich dominierten Erziehungsstils" die Rede. Das Lehrmaterial in der Schule müsse auf "burschengerechte Sprache" hin überprüft werden, auch müssten Lehrpersonen darauf achten, dass Burschen mehr Bewegung, mehr Pausen und klarere Instruktionen als Mädchen benötigten.

Unter dem Titel "Scheidungsfolgen für Männer" empfahl der Bericht aus 2006, die verpflichtende gemeinsame Obsorge in Betracht zu ziehen. Vatersein, männliche Identität, vorausgesetzte Differenzen von Buben und Mädchen und Gesundheitsprävention waren weitere Themen des ersten Männerberichts. Die Bereiche Arbeit, Einkommen und Gewalt fehlten im ersten Männerbericht praktisch zur Gänze.

Ganz anders der zweite Bericht, der seit Anfang Jänner über die Homepage des Parlaments zugänglich ist. Doch weder Presseaussendungen noch ein Hinweis auf der Homepage der Männerpolitischen Grundsatzabteilung informierten bisher über den brandneuen Männerbericht. Auf Nachfrage von dieStandard.at heißt es, dass der Bericht erst nach seiner Behandlung im Sozialausschuss, also im Februar oder März, öffentlich besprochen und abgearbeitet werde.

Methode

Der neue Männerbericht wurde vom Institut für empirische Sozialforschung (IFES) erstellt und stützt sich auf eine Reihe von Studien, "die relevante gesellschaftliche Entwicklungen behandeln", wie es in der Zusammenfassung des Berichts heißt. Fokussiert wurde auf die Bereiche Familie, Schule, Beruf, Freizeit, Gesundheit. Das Thema Patchwork kommt ebenso zum Zug wie Einkommensdifferenzen und unterschiedliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Männer mit und ohne österreichischen Pass.

Unter dem Punkt Familie wird etwa hervorgehoben, dass das klassische Väterbild an Gültigkeit verloren habe. Die AutorInnen des Abschnitts "Buben und Burschen in der Familie" betonen die Schwierigkeit für Buben, in ihrem Umfeld positive Männlichkeit zu erleben, weswegen sie sich vorwiegend an Peer-Groups und Medien orientieren. Das würde wiederum traditionelle Rollenbilder verstärken - ein Effekt, der sich für andere Bereiche als problematisch herausstellt, Stichwort "Männer und Familie": Laut Bericht erklären sich Männer zwar mittlerweile zur Familienarbeit bereit, es bleibt aber bei der Theorie.

Theoretisch schon

Auch die Frage nach Familienkarenz beantworten Männer nur theoretisch mit Ja. Eine 2004 durchgeführte Studie erhob, dass sich 63 Prozent eine Karenz zwar vorstellen können, tatsächlich beziehen aber nur knapp fünf Prozent Kindergeld. Die Planung von Karenzzeiten hängt bei Männern maßgeblich von Karrierevorstellungen und beruflichem Umfeld ab. Damit künftig mehr Männer in Karenz gehen, brauche es entsprechende Karenzmodelle, etwa solche mit kürzeren Karenzzeiten, die dann auch mehrfach in Anspruch genommen werden können.

Die derzeitige Organisation von Familien verläuft aber noch immer in äußerst traditionellen Bahnen. Das häufigste Modell ist, dass Vater Vollzeit und Mutter Teilzeit arbeitet (40,9 Prozent entscheiden sich für diese Aufteilung). Warum? Weil Männer mehr verdienen. Insgesamt scheint die herrschende Familienorganisation und Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit auch nicht weiter zu stören: Nur fünf Prozent der Männer zeigten sich damit unzufrieden.

Im Beruf geht es ihnen sehr gut

Wenig überraschend, weil schon in diversen anderen Studien - allerdings über Frauen - bestätigt, wird auch im aktuellen Männerbericht die Kluft zwischen Männern und Frauen im Erwerbsleben und beim Verdienst deutlich. Die Frage, wie es Männern in Österreich geht, kann in Bezug auf Einkommen, berufliche Position und Berufseinstieg demnach klar beantwortet werden: sehr gut.

Männer orientieren sich an "extrinsischen Berufszielen" wie Einkommen und Sozialprestige. Und sie erleben mehr Unterstützung beim Berufseinstieg als Frauen, mit denen Berufseinsteiger durch die Wahl eines "Frauenberufs" tunlichst nicht assoziiert werden möchten: Als frauenspezifisch geltende Berufe werden von Burschen noch immer gemieden.

Das scheint sich auch auszuzahlen. Der Wunsch nach Sozialprestige und einem guten Einkommen erfüllt sich für Männer oft: 72,8 Prozent der Führungspositionen werden von Männern besetzt. Frauen hingegen bilden bei den einfachen Angestellten mit 66,1 Prozent die Mehrheit.

Täter und Opfer

Negativer sieht es für Männer hingegen beim Thema Gewalt aus, was allerdings auch schlechte Nachrichten für Frauen sind. Sowohl TäterInnen als auch Opfer sind zum größten Teil Männer, mit Ausnahme von Gewalt in Intimbeziehungen und bei Sexualvergehen: Hier richtet sich die Gewalt öfter gegen Frauen. Männer werden öfter verurteilt (86 Prozent der Verurteilten sind Männer), begehen öfter Gewalttaten und sind öfter Wiederholungstäter. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Unmündigen werden fast nur von Männern begangen.

Beim Thema Scheidung zeigt der Bericht, dass es hier auch unter Fachleuten wenig Konsens gibt. In den aktuellen Bericht fließen die weitgehend konträren Positionen von AnwältInnen ein. Ein Pro und Kontra zur verpflichtenden gemeinsamen Obsorge ist somit ebenso vertreten wie unterschiedliche Einschätzungen über Probleme bei Besuchsregelungen. 

Mängel behoben

Trotz der vielen Unterschiede zwischen den Leben von Männern und Frauen und deren Folgen lässt sich der zweite Männerbericht im Gegensatz zum ersten nicht zu Mutmaßungen über substanzielle Unterschiede der Geschlechter hinreißen. Und während bei der ersten Bestandsaufnahme die verschiedenen Lebensbereiche noch nicht als miteinander verzahnt verstanden wurden, konnte auch dieser Mangel im zweiten Männerbericht behoben werden. Er könnte somit auch ein Instrumentarium für Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern werden. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 24.1.2012)