Screenshot am 5. August 2012: Die gebuchten AdWords, also die von pro:woman gebuchte Werbung, sollten im Bild rechts oben erscheinen.

Screenshot: Google

Suchergebnis am 12. Dezember 2012: ohne Werbung.

Screenshot: Google

Suchergebnis am 15. Dezember 2012: ohne Werbung.

Screenshot: Google

Bild nicht mehr verfügbar.

Datenzentrum von Google in Pryor, Oklahoma (USA).

Foto: apa/GOOGLE HANDOUT

"Zyklus", "Eizelle", "Schwangerschaftsabbruch" und "Pille danach" fallen für einige unter die Kategorie "brutale Sprache" - für Google zum Beispiel. Seit beinahe einem Jahr gibt es in Österreich zu den Begriffen "Schwangerschaftsabbruch" und "Abtreibung" ein selektiertes Suchergebnis bei dem Suchmaschinenriesen.

Dem aber nicht genug: Die vom pro:woman-Ambulatorium am Wiener Fleischmarkt gebuchten AdWords, also die Google-Werbung, erscheinen nach wie vor nicht. Im April dieses Jahres reichte die Abtreibungsklinik deshalb bereits Beschwerde bei der EU-Kommission ein.

Kein Werbeverbot für Abtreibung in Österreich

Zusehends verstrickt sich der Internetriese nun aber in Widersprüche zwischen seiner offiziellen Abtreibungspolitik und seiner Praxis. Gegenüber der Geschäftsführerin des Ambulatoriums, Elke Graf, versichert Google seit Einbringen der Beschwerde immer wieder auf das Neue, in Österreich bestehe ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche und das Unternehmen halte sich eben an die Gesetze. Abgesehen davon, dass Google hier einem Irrtum aufsitzt, da in Österreich nach dem Ärztegesetz § 53 Absatz 1 ein solches Verbot nicht besteht, kommuniziert Google alles andere als einheitliche Haltungen zum Thema Abtreibung.

Denn die Nachfrage von dieStandard.at zeigt, dass sich Google nun doch der österreichischen Rechtslage anschließt und anerkennt, dass in Österreich kein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche besteht. Das hat Google inzwischen auch in seiner AdWord-Policy festgehalten. Gesagt und geschrieben, aber nicht umgesetzt (siehe Screenshots): Die gebuchten AdWord-Schaltungen nach den Begriffen "Schwangerschaftsabbruch" und "Abtreibung" erscheinen weiter nicht.

Google ist die Schieflage "nicht bekannt"

Diese Schieflage ist Wolfgang Fasching-Kapfenberg von Google Österreich jedoch "nicht bekannt". Er sagt: "Es könnte an organisatorischen oder systemtechnischen Gründen bei der Kundin liegen, also ein AdWord-Account-Problem geben." Die Verantwortung und Verwaltung der AdWords liege zudem bei der europäischen Zentrale in Irland. Er fühle sich dafür nicht zuständig.

Antworten, die auch Elke Graf kennt. Beinahe wöchentlich schreibt sie deshalb eine Anfrage an den Google-Helpdesk. "Einmal heißt es, ich würde einen falschen Suchbegriff eingeben, ein anderes Mal handelt es sich um organisatorische oder systemtechnische Gründe. Dann wieder lautet der Vorwurf, wir hätten auf unserer Homepage 'brutale Sprache'."

Politische Motive?

Für Google mag diese Angelegenheit eine Kleinigkeit sein, für ungewollt schwangere Frauen auf der Suche nach Informationen und für die BetreiberInnen von Abtreibungskliniken und Ambulatorien jedoch nicht, so Graf. Zudem werde hier eine Vereinbarung gebrochen.

Über die Gründe dieser Diskrepanz zwischen Politik und Praxis kann derweil nur spekuliert werden. Möglicherweise werfe die europäische Unternehmenszentrale Österreich, die Schweiz und Deutschland in einen Topf, denn in Deutschland gilt laut dem Strafgesetzbuch ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, sagt die Juristin Elisabeth Holzleithner: "In Irland beruft man sich offenbar auf das restriktivere deutsche Gesetz und differenziert den deutschsprachigen Raum nicht den nationalen Gesetzen entsprechend."

Sowohl pro:woman-Geschäftsführerin Graf als auch Holzleithner denken, dass das restriktive Abtreibungsgesetz in Irland auf die Abtreibungspolitik des Unternehmens wirkt. Immerhin sind Schwangerschaftsabbrüche in der irischen Verfassung als Totalverbot verankert. Die irische Regierung kündigte allerdings am Dienstagabend an, das Gesetz für Extremfälle zu lockern, wenn also Gefahr für das Leben der werdenden Mutter besteht.

Eine Lotterie für betroffene Frauen

Bis heute ist es so, dass die Google-Nutzerin nach Eingabe der Suchbegriffe "Schwangerschaftsabbruch" und "Abtreibung" nur in unregelmäßigen Abständen auf neutrale Links in der Suchergebnisliste trifft. Graf sagt, es hänge vom Tag oder der Woche ab, auf welche Google-Ergebnisse informationssuchende Frauen stoßen. Mal sind es Pro-Life-Organisationen wie Human Life International (HLI) oder "Es gibt Alternativen", an einem anderen Tag wiederum finden sich Einrichtungen wie pro:woman, gynmed.at oder auch die Stadt Wien an vorderster Stelle der Suchergebnisliste.

Für ungewollt schwangere Frauen, die sich im Internet Erstinformationen holen möchten, sei das "eine Art Lotterie". Das Dickicht der Google-Abtreibungspolitik sei kaum nachvollziehbar, hinzu komme die "Allmachtstellung von Google am Markt", mit der pro:woman auch in der Beschwerde an die EU-Kommission argumentiert.

Äußerst kritisch sieht Graf daher den PageRank-Algorithmus von Google. Dieser gibt nach einer mathematischen Formel vor, welcher Link im Google-Suchergebnis an welcher Stelle erscheint. Die durch die mathematische Formel von Google suggerierte "Natürlichkeit" stellt Graf in Frage, "denn offensichtlich wurde der Algorithmus für die Begriffe 'Abtreibung' und 'Schwangerschaftsabbruch' verfälscht".

Entscheidung im April 2013 erwartet

Frühestens im April 2013 wird die EU-Kommission über die Beschwerde von pro:woman entscheiden. Bis dahin rät die Geschäftsführerin betroffenen Frauen, sich vorab im Freundinnenkreis über Ambulatorien und Kliniken zu informieren. Die Internetsuche über den Suchmaschinenriesen sollte dann erst im zweiten Schritt mit spezifischen Suchbegriffen erfolgen. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 20.12.2012)