Wien - Die Regierung ist uneins in der Frage, ob sexuelle Belästigung durch "Po-Grapschen" ein Delikt im Strafrecht werden soll. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) erneuerte am Dienstag ihre Forderung nach einer Verankerung im Strafrecht angesichts der aktuellen Debatte über den FDP-Politiker Rainer Brüderle in Deutschland. Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) hält dies jedoch für "nicht notwendig", wie sie am Dienstag vor dem Ministerrat sagte.

Heinisch-Hosek will Neuregelung für privaten Bereich

Bereits beim Fall des Grazer Po-Grapschers im Herbst 2012 plädierte Heinisch-Hosek für eine Präzisierung im Strafrecht. Das Verfahren gegen den Täter musste damals eingestellt werden, weil sexuelle Belästigung im Strafrecht sehr eng definiert ist. Es sei hoch an der Zeit, die sexuelle Belästigung im privaten Bereich (beziehungsweise im öffentlichen Raum) ähnlich zu sanktionieren wie jene am Arbeitsplatz, wo das Gleichbehandlungsgesetz zur Anwendung komme, argumentierte die Frauenministerin. Justizministerin Karl warf sie eine zögerliche Haltung vor.

Karl verweist auf Verwaltungs- und Zivilrecht

Diese konterte: Es gebe sehr wohl rechtliche Konsequenzen für "Po-Grapschen", und zwar sowohl im Verwaltungs- als auch im Zivilrecht. Deshalb seien strafrechtliche Maßnahmen "meines Erachtens nicht notwendig". Und auch beim Schutz am Arbeitsplatz, wie ihn Heinisch-Hosek ins Treffen führe, komme mitnichten das Strafrecht zur Anwendung.

Justizministerin gegen "Anlassgesetzgebung"

Sie halte nichts von "Anlassgesetzgebung", sagte die Justizministerin. Das Strafrecht sei die "schärfste Waffe des Staates" und dürfe nur sehr behutsam adaptiert werden. Im Zuge der Reform des Strafgesetzbuchs, für die Karl demnächst eine ExpertInnengruppe einsetzen will, werde man sich aber auch dieses Thema ansehen.

Unterstützung von Frauenring und Grünen

Unterstützung bekam die Frauenministerin vom Frauenring. Der Dachverband der österreichischen Frauenorganisationen forderte ebenfalls eine Implentierung des "Po-Grapschens" im Strafrecht. "Welche Sanktionen hier angebracht und möglich sind, müssen juristische Expertinnen und Experten erörtern", so die Vorsitzende Christa Pölzlbauer.

Die Grüne Frauensprecherin Judith Schwentner erklärte anlässlich der laufenden Sexismus-Debatten: "Niemand versteht, warum Po-Grapschen ohne Sanktionen bleibt". Frauenministerin Heinisch-Hosek rief sie auf, sich "nicht immer auf die Untätigkeit der ÖVP-Justizministerin auszureden". Das Bundeskanzleramt hätte schon längst vorschlagen können, unerwünschte Berührungen ins Verwaltungsstrafrecht aufzunehmen, damit sexuelle Belästigung auch außerhalb der Arbeitswelt sanktioniert werden kann, so Schwentner. Die Grünen werden dazu einen Antrag einbringen.

BZÖ gegen die "Opferrolle"

Das BZÖ machte sich hingegen Sorgen, dass mit derartigen Gesetzen "Frauen noch mehr in die Opferrolle gedrängt" würden, so die Bundesfrauensprecherin Martina Schenk. "Gewalt an Frauen kann man am ehesten präventiv vermeiden, indem Frauen zukünftig noch unabhängiger sowie eigenständiger werden, um damit eine stärkere Rolle in der Gesellschaft einnehmen zu können", so Schenk in einer Aussendung. Statt gesetzlichem Schutz fordert Schenk ein flächendeckendes Angebot an Selbstverteidigungskursen für Frauen. (APA/red, dieStandard.at, 29.1.2013)